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"Es ist wichtig, dass Veranstaltende Wertschätzung erhalten"

Bernd Strieder vom Verband für Popkultur in Bayern e.V. über die Förderung der süddeutschen Musikszene

Interview von Markus Biedermann
veröffentlicht am 11.09.2018

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Bernd Strieder vom Verband für Popkultur in Bayern e.V. über die Förderung der süddeutschen Musikszene

Bernd Strieder. © vpby_69

Bernd Strieder ist stellvertretender Landesgeschäftsführer des Verbands für Popkultur in Bayern e.V., der schon seit 1989 existiert und heute ein Netzwerk aus 132 bayerischen Szeneförderern umfasst. Wir sprachen mit ihm über deren Ziele und die vielfältigen Angebote des Verbands.

Backstage PRO: Hallo Bernd! Ihr nehmt beim Verband für Popkultur in Bayern e.V. sehr viele Branchenakteure unter euer Dach, darunter Locations, Labels, Agenturen und andere Szeneförderer. Wie kam es dazu?

Bernd Strieder: Zuerst einmal kurz zur Historie: 1989 wurde die "Arbeitsgemeinschaft Bayrischer Musikinitiativen" gegründet. Da waren beispielsweise die Musikzentrale in Nürnberg oder das Feierwerk in München dabei. Kurz danach kam noch das Backstage dazu, aber es konnten damals nur lose Initiativen oder Vereine Mitglied werden. Die Mitgliedszahl schwankte bis 2011 zwischen 25 und 50 Vereinen.

Mit der Zeit haben sich die Vereine entweder professionalisiert, sodass daraus Firmen geworden sind, wie zum Beispiel das Feierwerk als großer Player im Musikbusiness. Einige haben sich wieder aufgelöst, weil sie nur ehrenamtlich agiert hatten. Und beim Ehrenamt geht es eben mal rauf und mal runter, genauso wie mit den Initiativen.

Parallel dazu hatten wir schon immer viele Kontakte auch zu privatwirtschaftlich agierenden Veranstaltern, zum Beispiel durch unsere Seminare und Workshops, bei denen sie als Dozierende aktiv waren. So haben zum Beispiel Peter Harasim oder auch Axel Ballreich vom Conzertbüro Franken immer wieder Interesse signalisiert und gesagt: "Mensch, wir wollen euch in eurer Arbeit unterstützen und wären gerne Mitglieder."

Backstage PRO: Aber haben wirklich alle Akteure die gleichen Ziele? Gibt es nicht mehr Konflikte, als wenn man zum Beispiel eben nur Veranstalter in den Verband aufnimmt? Ihr nehmt ja durchaus immer deutlich Haltung ein und bezieht Stellung. Vor kurzem habt ihr der Gema euren Popkulturpreis wieder entzogen.

Bernd Strieder: Die Erfahrung hat schon gezeigt, dass es am Anfang immer Berührungsängste gab – zum Teil auch Konflikte. Reibungsflächen gab es zwischen den rein privatwirtschaftlich agierenden Unternehmen und denen, die Förderungen oder Subventionen bekommen. Da gibt es schon unterschiedliche Handlungsspielräume. Aber grundsätzlich ist es so, dass das Miteinander im Großen und Ganzen sehr gut funktioniert.

"Viele schmeißen sich selbst ins kalte Wasser, ohne das notwendige Wissen zu haben"

Backstage PRO: Wie würdest du das gemeinsame Hauptziel zusammenfassen?

Bernd Strieder: Unser Ansatz ist es, die Szene zu fördern und die geschafften Strukturen auch zu schützen. Da ist jeder gerne willkommen. Die Zahl von mittlerweile 130 Mitgliedern bewirkt da auch einiges, weil man anders wahrgenommen wird: sowohl in der Politik als auch bei Förderanträgen oder Sonstiges. Diesen Einfluss wollen wir aber natürlich auch nutzen, um im Interesse unserer Mitglieder zu handeln und allen gerecht zu werden.

Backstage PRO: Ihr fördert mit eurem Programmangebot ganz ersichtlich auch den Austausch mit anderen Institutionen und Akteuren. Ich denke da zum Beispiel an das Konferenzformat dialogpop. Wie setzt sich euer Tätigkeitsfeld insgesamt zusammen?

Bernd Strieder: Unsere Arbeit verteilt sich auf zwei, vielleicht auch drei Säulen. Zum einen ist das die Professionalisierung von VeranstalterInnen und MusikerInnen durch Workshops, Seminare und individuelle Beratung. Mit byon haben wir ein Spitzenförderprojekt für bayerische Bands. goprofessional ist eine landesweite dezentrale Fortbildungsreihe für MusikerInnen mit jährlich ca. 70 Workshops zu verschiedenen Themen rund ums Musizieren.

Und dann sind wir auch Träger der Freien Jugendhilfe und engagieren uns in der popkulturellen Bildung für benachteiligte Kinder und Jugendliche. In diesen Bereich fallen außerdem noch Projekte mit Geflüchteten sowie die Mädchenmusikarbeit. Das Dritte ist natürlich die Interessenvertretung unserer Mitglieder auf Landes- und Bundesebene durch Veranstaltungen wie die dialogpop, wo wir auf aktuelle Themen eingehen und die Vernetzung untereinander vorantreiben.

Einige Ideen der dialogpop sind schon umgesetzt worden, andere finden demnächst statt. Im nächsten Jahr, also am 29-30. April 2019, soll der Schwerpunkt der Konferenz "Spielstätten", also alles rund um Festivals und Clubs sein. Das geschieht in Kooperation mit der LiveKomm.

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Backstage PRO: Im Rahmen eures letzten knowhow-Seminars gab es, als einer von zahlreichen Tipps an die Teilnehmer, auch den Rat, Backstage PRO zu nutzen. Das freut uns natürlich, aber mal ganz generell: Was seht ihr aktuell als die größten Herausforderungen für Veranstaltende? Welches Know-How, welche Förderung wird benötigt?

Bernd Strieder: Immer aktuell ist sind die Themen "Gema" und "KSK" für Veranstaltende – dazu haben wir wöchentlich vier oder fünf Anfragen von Veranstaltern.

Backstage PRO: Das sind ja richtige Klassiker!

Bernd Strieder: Das stimmt. Viele wollen auch einfach einen Überblick über die Szene und deren Abläufe haben, was eben deutschlandweit so passiert.

Im Rahmen unseres Seminars vom 28. bis 30. September wird unter anderem Bernhard Chapligin (Concertbüro Franken) über Entwicklungen im Musikbusiness und im Livegeschäft berichten. Er weiß, wie es aktuell aussieht und was die Trends für die Zukunft sind. Nach meinen Informationen ist die Festivalsaison 2018, gerade bei kleinen Festivals – also in der Größenordnung von fünfhundert bis achttausend Besuchern – sehr gut gelaufen.

Darüber hinaus wird auch noch Clemens Wieser (Obstwiesenfestival, E-Werk Erlangen) über Booking und Programmplanung referieren und Patrick Jung (Modularfestival Augsburg, Singoldsandfestival) gibt Anregungen zum Thema Einsparpotentiale und Kostenkontrolle bei Festivals.

Backstage PRO: Sind Fördertöpfe wichtig?

Bernd Strieder: Es ist wichtig, dass Veranstaltende erstmal die gesellschaftliche und kulturelle Anerkennung und Wertschätzung erhalten, die sie verdient haben und dass unter anderem der Kulturraumschutz auch gegeben ist. Programme wie Digi-Invest, die u.a. auch über die Initiative Musik laufen, sind wichtig, und jetzt soll auch die Grassroots-Förderung kommen.

Meine Erfahrung zeigt, dass vor allem im ländlichen Raum viele Ein-Personen-Betriebe existieren, die mit dem Alltagsgeschäft schon so eingespannt sind, dass sie sich um andere Dinge nicht kümmern können. Unsere Aufgabe ist der Kompetenzaufbau bei den Leuten. Oft schmeißen sie sich selbst ins kalte Wasser, ohne das notwendige Wissen zu haben, was aber dringend nötig wäre.

Beispielsweise war jemand bei mir, der letztes Jahr einen Club übernommen hat und ein halbes Jahr – aus Unwissen oder Vergesslichkeit – seine Konzerte nicht bei der Gema gemeldet hat. Als Konsequenz musste er dann Kontrollkosten bezahlen und kam beim doppelten Wert heraus. Entsprechend wichtiger ist es, dass wir die Leute schulen und immer auch die Situation vor Ort anschauen.

"Die Künstler müssen bereit sein, mehr oder weniger alles dafür zu tun"

Backstage PRO: Bei byon geht es ergänzend dazu um Musiker- und Bandförderung?

Bernd Strieder: Ja, das Projekt läuft seit 2010, wobei wir es in den letzten Jahren nochmal gepusht haben. Bisher war das eine Projektförderung, die durch Restmittel aus der Staatskanzlei, bzw. vom Wirtschaftsministerium finanziert wurde, seit 2017 ist es Teil unserer institutionellen Förderung durch das Kunstministerium. Das heißt, dass man mit den Mitteln langfristiger planen kann und wir versuchen dabei, die Bands weiter zu professionalisieren und an den Musikmarkt heran zu führen.

Neben der Beratung gibt es an der Musikakademie Alteglofsheim acht bis zehn Bandcoachings im Jahr. Zu den Inhalten zählen Instrumental-Coachings, aber auch Hilfen zum Eigenmanagement, damit sich die Bands selbst vermarkten können. Anfang September geht es zum Beispiel um das Thema Festivalbooking 2019.

Auf der anderen Seite erhalten Clubs, Festivals und Veranstaltende auch Förderung, wenn sie unsere byon-Acts bei sich auftreten lassen.

Backstage PRO: Dabei handelt es sich um Fördergelder, die ihr aus eurem Topf selbst direkt weiterleitet?

Bernd Strieder: Genau! Wenn ein Festival oder ein Club diese Bands auftreten lässt, gibt es durch uns eine Förderung, die vorher festgelegt ist. Das stellen sie uns in Rechnung und wir bezahlen das. 

Backstage PRO: Wie viele Bands habt ihr im Förderprogramm?

Bernd Strieder: Zwischen 15 und maximal 20 Bands. Davon gibt es zwölf bis fünfzehn Bands in Phase 1, deren Potential wir sehen und die wir aufbauen wollen. In Phase 2 unterstützen wir in erster Linie KünstlerInnen dabei, außerhalb Bayerns bzw. Deutschlands präsenter werden zu wollen. Bei uns im Programm ist zum Beispiel Xavier Darcy, der beim Vorentscheid zum ESC den zweiten Platz erreicht hat oder Lilly Among Clouds. Die Kytes aus München waren genauso auch schon dabei, wie Blackout Problems oder The Prosecution.

Wir präsentieren die Bands auch auf Showcase-Festivals. In diesem Jahr sind wir zum wiederholten Male beim Reeperbahn Festival in Hamburg dabei. Ebenso vertreten sind wir auf der c/o Pop und Waves Vienna. Außerdem machen wir mit anderen Kooperationspartnern zusammen ein Showcase auf dem Great Escape Festival.

Das kommt gut an und davon profitieren unsere Künstler enorm. Voraussetzung dafür ist aber Professionalität. Die Künstler müssen einen hohen Anspruch haben und bereit sein, mehr oder weniger alles dafür zu tun.  

Backstage PRO: Wie läuft die Bewerbung für euer Förderprogramm?

Bernd Strieder: Zunächst werden uns Bands vorgeschlagen, die wir dann fragen, ob sie Interesse an unserem Programm haben und dann wählt eine Jury, die aus fünfzehn Leuten aus dem Musikbusiness besteht, die Teilnehmer aus.

Backstage PRO: Gibt es einen Austausch mit anderen Verbänden wie zum Beispiel dem Popbüro Baden-Württemberg?

Bernd Strieder: Ja. Beispielsweise veranstalten wir gemeinsam mit Rockcity Hamburg und mit popNRW das Showcase auf dem Great Escape Festival. Mit den Popbüros in Baden-Württemberg bzw. Stuttgart arbeiten wir schon seit Jahrzehnten sehr gut zusammen, die waren ja auch Mit-Initiatoren der dialogpop. Auch zu anderen Popkulturförderern, wie etwa der Berlin Music Commission oder Popup Brandenburg herrscht ein tolles Verhältnis.

Wir versuchen aktuell uns mit der LAG Rock & Pop in Rheinland-Pfalz noch mehr zu vernetzen, mit Markus Graf – er war hier auf der dialogpop, jetzt habe ich schon meinen Gegenbesuch angekündigt. Mit Multipistes macht er ein länderübergreifenden Projekt, das beispielgebend für eine ähnliche Konstellation von uns mit der der Schweiz und Österreich sein könnte. Da sind gute Ansätze vorhanden.

Was auch schon vorkam, ist, dass wir Besuch aus Sachsen oder Brandenburg hatten, wo es noch darum ging, dort eine ähnliche Initiative zu gründen. Da beraten wir gerne und geben Ratschläge, welche Schritte nötig sind.

"Der vpby feiert 2019 sein 30jähriges"

Backstage PRO: Welche Rolle spielt der Bayerische Popkulturpreis für euch, den ihr schon fast drei Jahrzehnte vergebt?

Bernd Strieder: Das ist – ehrlich gesagt – auch ein bisschen politische Lobbyarbeit. In der Jury sitzen neben Landtagsabgeordneten noch befreundete Leute aus dem Medien- und Musikbusiness, und zusammen wird dann der Gewinner bestimmt.

Eine zeitlang saßen sehr viele musikaffine Abgeordnete im Landtag, die wir dann versucht haben, für unsere Themen zu sensibilisieren. Zum Beispiel die Schlagersängerin Claudia Jung war vier Jahre für die Freien Wähler im Landtag und dann auch in der Jury dabei. Oder auch Thomas Mütze von den Grünen, der jahrelang in einer Westernhagen-Coverband sang. Das ist eigentlich jedes Jahr ein guter Austausch, auch um über aktuelle Themen zu reden.

Backstage PRO: Wie bist du selbst überhaupt in diese Musikbranche "hereingerutscht"?

Bernd Strieder: Als Veranstalter! Von meiner Ausbildung her bin ich Sozialpädagoge mit einer Zusatzqualifikation im Kulturmanagement. Ich habe damals im Rahmen der Jugendarbeit und Jugendzentrumsarbeit etliche Jahre lang viele Konzerte und dann mit anderen zusammen das JUKUU Open Air in Kelheim organisiert. Dann wurde unser Verein Mitglied im Dachverband und ich bekam 1997 das Angebot, für Projekte einzusteigen, als ich zufällig Arbeit suchte.

2002 musste ich aufhören, weil es aufgrund von Haushaltssperren keine Projektgelder mehr gab, und bekam dann aber 2010 das Angebot, wieder einzusteigen, weil Bernd Schweinar, der bei uns immer noch Geschäftsführer ist, seinerseits das Angebot bekommen hatte, Künstlerischer Leiter der Musikakademie in Alteglofsheim zu werden. Das hat er angenommen und seitdem bin ich wieder dabei.

Backstage PRO: Ihr habt auf jeden Fall einen wunderschönen Sitz in diesem Schloss. Wie geht's weiter?

Bernd Strieder: Wir haben es bis jetzt geschafft, dass jedes Jahr die Förderung ein bisschen höher geworden ist und immer wieder neue Projekte ans Laufen gebracht. Das schaut auch für die Zukunft – der vpby feiert 2019 sein 30jähriges – ganz gut aus!

Backstage PRO: Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg. Danke für deine Zeit, Bernd!

Gewinnt 5x2 Plätze für die GO PROFESSIONAL-Workshopreihe des VPBy!

Unternehmen

Verband für Popkultur in Bayern e.V.

Veranstalter, Musikunterricht und Ausbildung, Consulting und Coaching in 93087 Alteglofsheim

BY-on - Spitzenförderprjekt für bayerische Musiker_innen

Artist-Management, Consulting und Coaching in 93087 Alteglofsheim

Personen

Bernd Strieder

stellvertretender Geschäftsführer des vpby (Verband für Popkultur in Bayern e.V. und Projektleitung bei byon, dem Spitzenförderprojekt für Bayerische Musiker*innen aus Alteglofsheim Projektleitung bei BY-on - Spitzenförderprjekt für bayerische Musiker_innen

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