Albumformat verliert zunehmend an Bedeutung
Das Rekordalbum "Scorpion" von Drake legt Wandel bei Musikmarkt- und konsum offen
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Als "Scorpion" am 29. Juni 2018 veröffentlicht wurde, brach das Album mit 132,45 Millionen Spotify- und ca. 170 Mio. Apple Music-Streams (an einem Tag!) instantan sämtliche Streaming-Rekorde. In der ersten Woche nach der Veröffentlichung stieg "Scorpion" mit 732.000 "album-equivalent units" (AEU) auf Platz Eins der Billboard 200 Album-Charts.
Erstaunliche Entwicklungen
Auch fast einen Monat nach Release thront "Scorpion" noch immer an der Spitze der Billboard 200. Doch stellte Digital Music News für die Woche ab dem 12. Juli von 260.000 album-equivalent units nur 29.000 traditionelle Albumverkäufe fest.
Laut Nielsen ist dies die geringste Verkaufsmenge für ein Nummer Eins-Album, seitdem mit der Überwachung der Verkäufe begonnen wurde.
Die album-equivalent unit
Um die Bedeutung dieser Zahlen zu verstehen, ist es notwendig, sich den Begriff der album-equivalent unit anzuschauen. Dieser bezeichnet ein spezielles Verhältnis zwischen digitalen Musikdownloads und -streams auf der einen und physischen Musikkäufen auf der anderen Seite.
Während z.B. ein CD- oder Vinyl-Kauf in der Regel ein komplettes Album darstellt (Maxi-CDs und Singles einmal ausgenommen), ist es gang und gäbe, digital auch nur einzelne Lieder von einem bestimmten Album zu kaufen oder zu streamen.
Um diese einzelnen Songs nicht ganz aus der Album-Chart-Wertung auszuschließen, wurden u.a. von Billboard spezielle Wiedergabewerte errechnet, ab denen gestreamte oder gedownloadete Songs in die Albenverkäufe einfließen. Derzeit entspricht ein "echter" Album-Verkauf 10 Song-Downloads und 1500 Song-Streams.
Paradigmenwechsel
Das Beispiel "Scorpion" verdeutlicht also, dass das physische Album-Format – insbesondere wohl in Drakes Zielgruppe bzw. im Hip-Hop/R&B-Bereich – zunehmend an Bedeutung verliert. Dies belegen auch Marktstatistiken der letzten Jahre. Statt das komplette neue Album zu kaufen, richtet der Großteil der Drake-Fans ihre Aufmerksamkeit eher auf einzelne Singles oder Playlists, in denen Künstler jeweils mit nur einigen wenigen Songs vertreten sind.
Dies erklärt auch, wieso zahlreiche in den letzten Jahren erschienene Alben – darunter u.a. "Scorpion", Migos' "Culture II" oder "Lust for Life" von Lana Del Rey – so hohe Spielzeiten aufweisen. Längere Alben bzw. längere Tracklists bedeuten mehr streambare Songs, die wiederum durch ihre Berücksichtigung in album-equivalent units potenziell zu einer höheren Album-Chart-Position führen können.
Kein Abgesang
Drakes "Scorpion" zeigt sich somit erneut als ein interessantes Messinstrument für die derzeitige Situation der Musikindustrie. Schon in seiner Veröffentlichungswoche ließen sich an den unterschiedlichen Streaming-Zahlen des Albums auf Spotify und Apple Music deutliche Unterschiede zwischen den Usern der beiden Dienste ablesen.
Doch sollte die abnehmende Popularität des Musikalbums, die sich am Beispiel von "Scorpion" andeutet, keinesfalls als eine Hiobsbotschaft für die zukünftige Entwicklung der Musikindustrie gelesene werden.
Im Gegenteil ist das Beispiel eher ein Indiz dafür, dass der Musikmarkt sich, insbesondere durch die Neuerungen des Musik-Streaming, immer stärker diversifiziert. Dies führt zwar zu einem Anstieg der Komplexität, potenziert jedoch gleichzeitig die Chancen, die Musiker und Musikerinnen haben, ihre Musik (erfolgreich) zu vermarkten.
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