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Vielfältige Herausforderungen

Die LiveKomm Frühjahrstagung 2018 stand im Zeichen von Sicherheit und Clubsterben

Spezial/Schwerpunkt von Theo Müller
veröffentlicht am 09.03.2018

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Die LiveKomm Frühjahrstagung 2018 stand im Zeichen von Sicherheit und Clubsterben

Eindrücke von der LiveKomm Frühjahrstagung 2018. © Alexander Schäfer

Auf der LiveKomm Frühjahrstagung 2018 am 5. März in der halle02 in Heidelberg kam die Club- und Eventbranche zusammen um über Zuschauer, Sicherheit, verändertes Ausgehverhalten und das Clubsterben zu diskutieren.

Mit der Heidelberger halle02 fand die LiveKomm den passenden Rahmen, um bei ihrer Frühjahrstagung brisante Themen der Club- und Eventbranche zu diskutieren. Ungefähr 60 Teilnehmer sorgten für vielfältigen Austausch und spannende Diskussionen in familiärer Atmosphäre.

Das Thema der Tagung lautete "Das Publikum". So bunt wie das Publikum der Clubs sein kann, so vielfältig waren entsprechend auch die Themen der Panels und Diskussionsrunden.

Die großen Themen der Branche

Die großen Themen für die Clubbranche sind zur Zeit die Strukturumstellung der GEMA, Lärmschutz und der Kampf mit Politik und Verwaltung um die Rolle der Musikclubs in den Städten.

Die Neustruktuierung der GEMA erzeugt einen erhöhten Verwaltungsaufwand für die Clubs. Aktuell besteht die Herausforderung vor allem darin, den richtigen Ansprechspartner zu finden.

Mit dem Thema Lärmschutz müssen sich vor allem in urbanen Mischgebieten beheimatete Clubs ständig beschäftigen. Effektiver Lärmschutz ist teuer und kann einen Club vor ernste finanzielle Herausforderungen stellen. Zumindest in Berlin konnte nun aber ein Lärmschutzfonds über 1 Million Euro aufgelegt werden, der Clubs helfen soll, Lärmschutzmaßnahmen zu finanzieren.

Das Verhältnis zu Politik und Verwaltung war ein bestimmendes Thema der Frühjahrstagung. Viele Teilnehmer konstatierten ein Spannungsfeld zwischen Politik, die einer lebendigen Clubkultur zunehmend aufgeschlossen gegenüber steht, und Verwaltung, die es den Clubs durch Auflagen schwer macht

Auch die allegemeine politische Entwicklung beeinflusst die Clubkultur: Das Erstarken des Rechtspopulismus bedroht die freie Kulturpolitik und gefährdet alternative Milieus, wie sich beispielsweise im Versuch zeigte, dem Mannheimer JUZ Friedrich Dürr Haushaltsmittel zu streichen. Nach Meinung einiger Teilnehmer reicht Lobbyarbeit nicht mehr aus, um den politischen Herausforderungen Herr zu werden. Sie forderten die Clubbetreiber auf, selbst politisch in Parteien aktiv zu werden.

Wer ist das Publikum?

In der Diskussionsrunde zu Veränderungen im Ausgehverhalten der Clubkultur stellten die Teilnehmer fest, dass Besucher in den letzten Jahren in den Clubs mehr Geld ausgeben, die Anzahl der Besucher aber insgesamt gesunken ist. Das führte zur Frage, wie Clubs neue Besuchergruppen erschließen können.

Jugendkulturen verändern sich ständig, und die Suche nach spannenden Formaten für Subkulturen stellt für Clubbetreiber eine große Herausforderung dar. Sebastian Aab, Marketing Manager des Lofts in Ludwigshafen und des Zimmers in Mannheim, stellte hierzu fest, dass sich das Ausgehverhalten junger Leute verändert hat. Der Trend geht zu Events und zu Erlebnissen und weg von der Location an sich.

Es genüge nicht mehr, einen coolen Club zu betreiben, sondern die Betreiber müssen Welten und Erlebnisse schaffen, die dazu einladen, dass die Besucher sie selbstständig in den sozialen Netzwerken bekannt machen. Begriffe wie "socialbility" und "shareable" beschreiben diesen Ansatz. Laut Sebastian Aab macht es mehr Sinn, Geld in diese Erlebnisse zu investieren, als das Budget für Social-Media-Marketing zu erhöhen. Wenn die Besucher selbst diese Erlebnisse teilen, habe dies einen viel stärkeren Marketing-Effekt.

Unter dem Schlagwort "Big Data" erobern Datenanalysen heute nahezu alle Branchen. Clubbetreiber verlassen sich bei Analysen ihrer Gäste und ihrer Geschäftsmodelle vor allem auf das eigene Bauchgefühl. Eine gezielte Datenauswertung kann allerdings für Überraschungen sorgen, wie Lena Ingwersen vom Music Cities Network und Willem Wijgers von EMC Kultur und Marketing berichteten.

Sicherheit

Das Thema Sicherheit spielte im Rahmen der Tagung eine sehr große Rolle. In der Diskussionsrunde zu Sicherheit bei Veranstaltungen stellten die Teilnehmer fest, dass sich vor allem seit den Vorfällen in Köln in der Silvesternacht 2015 die Stimmung verändert hat.

Die Angst vor sexueller Belästigung hat zugenommen und äußert sich in teilweise diffusen Sorgen, was es erschwert, eine einfache Antwort zu finden. Eine Möglichkeit gegen sexuelle Belästigung vorzugehen, besteht darin, alle Mitarbeiter eines Clubs, vom Türsteher bis zur Tresenkraft, im richtigen Umgang mit sexueller Belästigung zu schulen, damit im Ernstfall schnell eingeschritten werden kann.

Die Diskutierenden stellten fest, dass sich die Anzahl der Vorfälle von sexueller Belästigung in Clubs  nicht verändert hat, allerdings hat die gefühlte Angst der Gäste zugenommen. So beobachteten die Clubbetreiber bei den Sicherheitskontrollen eine starke Zunahme von Reizgas und Schreckschusspistolen.

Laut Thomas Waetke, Anwalt für Veranstaltungsrecht, sind Clubbetreiber aus juristischer Sicht nicht verpflichtet, eine Einlasskontrolle durchzuführen. Die Branche legt sich hier seiner Meinung nach selbst zu viele Auflagen auf. Er befürwortet daher eine genauere Analyse des Publikums, um den Umfang der Sicherheitskontrollen festzulegen.

Dagegen spricht laut Till Steinberger vom Sicherheitsdienst Steinberger GmbH, dass Sicherheitsdienste hohe Verantwortlichkeiten haben. An den Auflagen der Behörden habe sich in den letzten zehn Jahren nicht viel geändert, jedoch wurden diese in den letzen Jahren verschärft durchgesetzt.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass zuviel Präsenz von Polizei und Sicherheitskräften der Atmosphäre im Club abträgtlich sind. Stattdessen müsse man Art und Umfang der Präsenz auf jede Veranstaltung und Zielgruppe anpassen. Es sei von Vorteil, in dieser Hinsicht beim Kontakt mit Behördenmitarbeitern über eigenes Fachwissen zu verfügen. Das erleichtere den Umgang und helfe bei der Verhandlungen über besondere Auflagen und behördliche Anforderungen.

Clubkultur in der Krise

Die Abschlussdiskussion der Tagung beschäftigte sich mit der Frage, ob die Clubkultur heute in der Krise steckt. Anzeichen für das Clubsterben gibt es viele. Zum einen stehen viele Clubs durch Investitionen der Immobilienwirtschaft in urbane Gebiete unter Druck. Dadurch werden Clubs zunehmend aus den Innenstadtgebieten verdrängt.

Ungefähr 90% der Clubs mieten ihre Räumlichkeiten. Ständige Mietsteigerungen zwingen den Clubs ein kommerzielles Programm auf, das wenig Platz für wirtschaftlich weniger erfolgreiche Nischen und Experimente lässt, und bedrohen im schlimmsten Fall die Existenz der Clubs. 

Besonders schwierig ist die Lage für kleine Clubs mit Kapazitäten um die 200 Gäste, dabei sind diese Clubs oft Geburtsstätten für neue Sounds und Subkulturen. Damit kleine Clubs jedoch entstehen und bestehen können, sind entweder staatliche Förderung oder die Reduzierung kostspieliger Auflagen nötig.

Da viele Kommunen in der Stadtentwicklung die Interessen der Clubs zu wenig bedenken, gewinnt das Thema Politik auch hier Relevanz. Ein Lösungsansatz könnte darin bestehen, in Städten einen sogenannten Nachtbürgermeister einzuführen, der als Bindeglied zwischen Nachtleben, Politik und Verwaltung fungiert.

Nach wie vor hängt der Clubkultur der Ruf an, Kultur zweiter Klasse zu sein. Somit erhält die Branche nicht die Unterstützung durch die Politik wie die "ernsthafte" und "klassische" Kultur. Noch immer wird vielfach verkannt, dass Musik- und Clubkultur eine wertvolle Ressource einer Region darstellt. Um eine für hochqualifizierte Arbeitnehmer attraktive und lebenswerte Region zu schaffen, muss eine lebendige Musikkultur existieren, die den heiß begehrten Arbeitskräften hochwertige Ausgemöglichkeiten nach Feierabend bietet.

Steckt die Branche in einer Dauerkrise?

Ob die Clubkultur wirklich aktuell in einer Krise steckt, ist schwer zu beantworten. Nach Ansicht einiger Diskussionsteilnehmer befindet sich die Branche in einer Art Dauerkrise. Die berühmte "Liste des Grauens" von Karsten Schölermann wurde auf der Tagung nach zehn Jahren neu bewertet und nur die wenigsten Punkte haben sich zum Positiven verändert.

Das Clubgeschäft ist und bleibt eine große Herausforderung, die nur mit viel Energie und Initiative der Protagonisten bewältigt werden kann, soviel ist klar. Ob man dies nun als Krise bezeichnet oder die ständige Bewältigung von Hindernissen einfach als Teil des Geschäfts wahrnimmt, ist teilweise auch eine Frage der inneren Haltung. Die wirklichen Probleme von den gefühlten Wahrheiten zu trennen, stellt jedenfalls eine große Herausforderung dar.

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