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Neue Entwicklung

Google soll mit Major Labels über die Lizensierung von Deepfakes verhandeln

Spezial/Schwerpunkt von Antonia Freienstein
veröffentlicht am 15.08.2023

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Google soll mit Major Labels über die Lizensierung von Deepfakes verhandeln

© ThisIsEngineering via pexels.com

Laut einem Bericht der Financial Times befinden sich Google, die Warner Music Group und die Universal Music Group in Gesprächen über eine Lizenzierung von Stimmen und Melodien, der bei den Labels unter Vertrag stehenden Künstler/innen. Ziel dieser Gespräche sei es, die Verwendung dieser Inhalte in KI-generierter Musik zu ermöglichen.

Bisher erzeugte die Erstellung sogenannter musikalischer "Deepfakes", also von Aufnahmen, bei denen absichtlich der Eindruck erweckt wird, dass Songwriting und Stimmen von einer nicht tatsächlich beteiligten Person stammen, sehr negative Reaktionen, zumal dieser Vorgang überwiegend ohne das Einverständnis der betroffenen Künstler/innen stattfand.

Mit den Verhandlungen zwischen Google, der Universal Music Group (UMG) und der Warner Music Group (WMG) könnte sich dies nun ändern.

Ziele der Regulierung

Der Financial Times nach zielt die geplante Regulierung darauf ab, Nutzer/innen von KI-Tools die legale Möglichkeit zu bieten, die Stimmen ihrer eigenen Lieblingsmusiker/innen zu verwenden. 

Auf diese Art und Weise soll gewährleistet werden, dass KI-generierte Songs deutlich gekennzeichnet und Künstler/innen, deren kreative Leistung benutzt wird, durch Tantiemen auf die entstandenen Werke entlohnt werden. 

Laut der Financial Times handele es sich hierbei um ein Angebot -–die Entscheidung, ob die Künstler/innen ihre Stimmen oder Melodien für eine lizenzierte Nutzung freigeben, sei ihnen selbst überlassen.

Die Financial Times stellt jedoch auch klar, dass sich die Gespräche zwischen Google und der UMG aktuell noch in einem frühen Stadium befinden, in dem die Einführung eines an die Regulierungen angepassten Produktes noch nicht absehbar sei.

Etwas anders sei die Lage bezüglich der Verhandlungen zwischen Google und der WMG: Die Gespräche hätten bereits um die Umsetzung eines gemeinsamen Projekts zum Inhalt.

Großer Bedarf

Ganz neu ist die Idee "Deepfakes" durch eine rechtmäßige Erstellung und Kennzeichnung zu legitimierter Musik werden zu lassen nicht. 

Im April 2023 etwa erregte die kanadische Sängerin Grimes Aufsehen dadurch, dass sie über X (ehemals Twitter) bekannt gab, ihre Stimme für die Generierung von KI-Musik freizugeben. 

"Ich teile 50% der Tantiemen für jeden erfolgreichen KI-generierten Song, der meine Stimme verwendet. Das ist der gleiche Deal wie mit jedem anderen Artist, mit dem ich zusammenarbeite. Fühlt euch frei, meine Stimme ohne strafrechtliche Folgen zu verwenden. Ich habe kein Label und keine rechtlichen Bindungen."

Mit dieser Ankündigung reagierte die Künstlerin auf einen Artikel der New York Times, in dem der KI-generierte Song "Heart on My Sleeve", einer vermeintlichen Kooperation zwischen The Weeknd und Drake, die sich erst auf TikTok und dann auch auf den großen Streaming-Plattformen großer Beliebtheit erfreute, thematisiert wird.

Kritische Haltung von Universal

Dieser sorgte sowohl bei den betroffenen Künstlern als auch deren Label Universal für große Verärgerung. Bereits zuvor seien vermehrt KI-generierte Songs von bei Universal unter Vertrag stehender Künstler/innen auf Streaming-Plattformen aufgetaucht, woraufhin das Label die Streamingdienste dazu aufforderte, den Zugang zu ihren Musikkatalogen für Entwickler/innen Künstlicher Intelligenzen zu sperren. Auf diese Art sollte vermieden werden, dass diese zum Trainieren von Musik-KI-Tools verwendet werden.

Zudem trat Universal der im März angekündigten Human Artistry Campaign bei, einem Zusammenschluss von Branchenverbänden aus der Kreativ-, Medien- und Sportindustrie, der sich für die Einführung einer stärkeren Regulierung von Künstlicher Intelligenzen einsetzt.

Das große Problem stellen also "Deepfake"-Tracks dar, die nicht in Einverständnis mit den jeweiligen Künstler/innen erstellt wurden und an denen diese somit selbst keine Gewinnbeteiligung erhalten. Problematisch wird es zudem, wenn die Texte Inhalte aufweisen, die den Werten der Künstler/innen selbst widersprechen. Für diesen Fall kündigte auch Grimes an, gegen solche Erzeugnisse urheberrechtlich vorzugehen.

Ein neuer Partner?

Ein Interesse seitens der UMG an stärkeren Regulierungen bestand demnach bereits länger. Interessant ist nun die Entwicklung hin zur Überlegung, den Musikkatalog unter strengen Auflagen bewusst für KI-Entwickler/innen zu öffnen. Auf den ersten Blick ist es durchaus überraschend, dass Google dafür in Frage kommt.

Wie das Online-Magazin musically schreibt, zog das Unternehmen lange Zeit den Zorn der Musikindustrie auf sich, wenn es um Themen wie Piraterie-Links in Suchmaschinen oder nutzergenerierte Uploads auf YouTube ging. Nun jedoch Google jedoch zum Verbündeten für Rechteinhaber/innen werden, die eine Regulierung und Lizenzierung im Bereich der KI-Musik anstreben. 

Google übt Zurückhaltung

Bei näherem Hinsehen kommt das Angebot einer Kooperation mit den Major-Labels jedoch nicht ganz so überraschend. Im Mai 2023 veröffentlichte Google mit MusicLM einen eigenen KI-Musik-Generator.

Das KI-Tool, das in der Lage ist, Beschreibungstexte und Keywords in Musik umzuwandeln, beschränkt sich bisher auf die Erstellung rein instrumentaler Songs, um urheberrechtliche Probleme zu vermeiden. Würde es nun zu einer Einigung zwischen Google und den Major Labels kommen, wäre das Unternehmen in der Lage, sein eigenes Angebot weitaus vielfältiger zu gestalten.

Wegweisend?

Der Ausgang der Verhandlungen zwischen Google, UMG und WMG könnte womöglich wegweisend für zukünftige Abkommen in der KI-Branche sein, insbesondere mit Blick auf Unternehmen wie etwa Meta, das mit MusicGen ein eigenes KI-Tool am Start hat.

Tatsächlich könnte dieser Wandel im Umgang mit KI-generierter Musik Künstler/innen ohne großen Aufwand ihrerseits ein teilweise lukratives Nebeneinkommen einbringen. Grimes etwa beschreibt sich selbst auf Twitter bereits als "self-replicating A.I Popstar". 

Große Namen ziehen

Jedoch ist anzumerken, dass vor allem sehr populäre Künstler/innen von diesem Wandel profitieren dürften. KI-Entwickler/innen, die virale Hits kreieren möchten, werden vermehrt auf bekannte Stimmen zurückgreifen, um eine breitere Fanbasis zu erreichen. Auch Grimes stellt hier keine Ausnahme dar, verfügt sie doch allein auf Spotify bereits über 6 Mio. monatliche Hörer/innen. 

Auch die KI-Streaming-Plattform WAVs AI, die im Juni 2023 Schlagzeilen machte, als die New Yorker Investmentfirma Regal Investments ganze 20 Mio. US-Dollar in das Konzept investierte zeigt: Präsent sind hier vor allem die KI-Pendants von großen Stars wie Freddie Mercury (Freddie Mercurai mit 50.089 Followern) The Weeknd (WKND mit 110.399 Followern) und Drake (Draik mit 129.884 Followern).

Die offizielle Lizenzierung musikalischer Inhalte könnte ein Gegenmodell gegenüber solchen unlizenzierten Inhalten bilden und Musiker/innen und Labels neue Einnahmequellen erschließen. Allerdings befindet sich die Entwicklung aktuell noch in einem sehr frühen Stadium.

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