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Zukunftsmusik

Lizenzierung: Werden Künstler zukünftig für die Bestandteile ihrer Songs entlohnt?

News von Florian Endres
veröffentlicht am 27.11.2018

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Lizenzierung: Werden Künstler zukünftig für die Bestandteile ihrer Songs entlohnt?

© Pixabay via Pexels

Technische Neuerungen auf dem Musikmarkt führen dazu, dass sich die Kontexte, in denen Musik gehört wird, stets verändern. Was könnte die nächste Stufe dieser Entwicklung sein?

Musikalben geraten als Medium des Musikkonsums zunehmend in den Hintergrund. Während in den frühen 2000ern Download-Plattformen wie iTunes oder Napster den einzelnen Song in den Fokus stellten, schaffen Streamingdienste wie Spotify aktuell vollkommen neue Hörkontexte durch nutzergenerierte und kuratierte Playlists.

In einem Artikel stellt das Wirtschaftsmagazin Forbes die Frage, was die nächste Station dieser Entwicklung sein könnte. Autorin Cherie Hu vermutet, dass in Zukunft der Song selbst in seine Bestandteile zerlegt wird – die dann wiederum verkauft werden können.

Das würde bedeuten, dass Musiker und Musikerinnen bald, neben den eigentlichen Musikstücken, auch einzelne Elemente ihrer Songs – Vocals und Instrumentals bzw. auch Loops und Samples (wie z.B. Drums, Bassläufe...) – montetarisieren können. 

Samples und Rechte

Sampling an sich ist freilich nichts neues: Während jüngst auch die Pop-Musik sich häufiger "fremder" Songs bedient (z.B. "Bad Liar" von Selena Gomez, das die Bassline des Talking Heads-Hits "Psycho Killer" samplet), waren diese etwa für Hip-Hop von Anfang an ein konstitutives Element.

Auch in der elektronischen Musik werden oft Samples (oder sogar längere Song-Passagen) im Kontext von Remixes, Mashups oder DJ-Sets verwendet.

In den Anfangstagen dieser neuen Kreativtechniken kümmerten sich Künstler noch recht wenig um die legalen Rahmenbedingungen von Sampling, Remixing etc. – fremde Samples wurden ohne irgendeine Form der Lizenzierung verwendet.

Heutzutage gibt es ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit der korrekten Lizenzierung von fremden Elementen, gerade bei Major-Labels: Hier werden eigens Personen für das Sample-Clearing eingesetzt.

Trotzdem zeigen Schätzungen, dass wohl nur 2-5% aller Songs mit Samples wirklich korrekt lizensiert sind – der Rest stammt häufig von dubiosen "Sample-Händlern" im Netz.

Neue Märkte

Genau hier sieht Hu Ansatzpunkte für neue Märkte – bereits demonstriert durch Dienste wie etwa Sounds.com, eine Sample-Datenbank des Softwareherstellers Native Instruments, oder Splice Sounds. Diese bieten Musikern und Musikerinnen gegen eine monatliche Abo-Gebühr Samples und Loops an, die lizensiert sind und damit bedenkenlos verwendet werden können.

Einen besonderen Reiz bei diesen Plattformen macht Exklusivmaterial namhafter Producer aus, auch mit Labels kooperieren die Anbieter.

Auch Soundcloud und Spotify partizipieren bereits an diesem Markt: Während Soundcloud durch seine Kooperation mit Dubset in Zukunft den Lizenzierungsprozess für Remixe automatisieren und verbessern möchte, hat Spotify 2017 Soundtrap gekauft – eine cloudbasierte Online-DAW, dass die Kooperation von Künstlern über das Internet vereinfachen möchte und ebenfalls eine umfangreiche Loop-Datenbank bereitstellt.

Der Markt für Song-"Stückchen" ist gerade erst dabei, sich vollständig zu entwickeln und auszudifferenzieren. Dennoch bedient dieses Segment schon jetzt über 5 Millionen professionelle und semi-professionelle Musiker und Musikerinnen, bis 2020 werden Umsätze von gut 2 Milliarden Dollar erwartet.

Ein Wandel im Selbstverständnis

Laut Cherie Hu ist dieser aufkommende Markt ein Indiz für einen Wandel des künstlerischen Selbstverständnisses. Nicht zuletzt durch die Möglichkeiten des Internets steht die künstlerische Kollaboration immer stärker im Vordergrund, die eigenen Produktionsstrategien stellen nicht länger ein eifersüchtig gehütetes Geheimnis dar, sondern werden geteilt.

Ein Indiz dafür sind nicht nur professionelle Plattformen wie die oben beschriebenen: Immer mehr Einzelkünstler stellen die Einzelteile ihrer Songs (teilweise unentgeltlich) zur Verfügung, um damit Remixe – und letztendlich wohl auch die Fanbindung – zu fördern.

Einer der frühesten Künstler, der diese Idee vorantrieben, war Trent Reznor, der zahlreiche Multitrack-Dateien seiner Band Nine Inch Nails ins Netz stellte. Auch die experimentellen Noise-Rapper Death Grips sind für dieses Vorgehen bekannt.

Weiterhin stellen inzwischen zahlreiche junge Künstler und Künstlerinnen Stems über Crowdfunding-Plattformen wie etwa Patreon zur Verfügung. 

Monetarisierung des Schöpfungsprozesses

Das besondere an dieser Vorgehensweise ist, dass bei einem solchen Handel mit musikalischen "Einzelteilen" nicht mehr nur der Konsument den alleinigen Fokus darstellt. Der Musikmarkt wird verbreitert, indem die Verbindung von Musiker zu Musiker als Einnahmequelle erkannt wird.

Genau diese Öffnung des Musikmarktes ist nach Hu durchaus erstrebenswert. In der derzeitigen Musikökonomie kann es häufig Monate dauern, bis Künstler die ersten Einnahmen durch ihre Musik in den Händen halten. Indem der Musiker seinen Schöpfungsprozess selbst monetarisiert, diversifiziert er sein Portfolio und ist eben nicht mehr exklusiv vom Endkunden, von Musik-, Ticket- oder Merchverkäufen. 

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