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Dramatischer Wandel

Rockbands in der Krise? Welche Zukunft hat die Rockmusik?

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 31.01.2019

musikgeschichte musikmarkt

Rockbands in der Krise? Welche Zukunft hat die Rockmusik?

The Tidal Sleep, eine Rockband par excellence. © MKB

Aktuelle Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Der Anteil der Rockmusik an den Verkäufen von Alben und Singles sinkt stetig. Was sind die Folgen für Rockbands? Und ist zu erwarten, dass der Trend sich umkehrt?

In Hinblick auf den Albumkonsum hat Hip-Hop der Rockmusik den Rang abgelaufen – jedenfalls in den USA.

Nach den Zahlen des Buzz Angles Jahresendreports 2018 steigerte Hip-Hop seinen Anteil am gesamten Albumkonsum (physische Medien, Downloads und Streams) von 17,5 auf 21,7%, während Rockalben lediglich 14% erreichten – nach 22% im Jahr 2017! Das Bild bei Einzelsongs ist ähnlich. Hip-Hop erreicht hier 24,7% (2017: 20,9%), Rock lediglich 12% (2017: 19,8%).

Rockbands von gestern

Dieser Trend lässt sich auch in der Liste der Bands nachvollziehen, die weltweit die meisten Tonträger verkauft haben. Ganz vorne stehen natürlich The Beatles mit geschätzt einer Milliarde verkaufter Tonträger.

Unter den Bands mit mehr als 100 Millionen verkauften Tonträger befinden sich mit Led Zeppelin, Pink Floyd, Queen, AC/DC, The Rolling Stones viele weitere berühmte Rockbands.

Bei näherer Betrachtung fällt allerdings auf, dass die meisten Bands ihre Karriere in den 1960er oder 1970er-Jahren begannen. Nur eine einzige der meistverkauften Rockbands feierte ihren kommerziellen Durchbruch im aktuellen Jahrtausend, und zwar Linkin Park.

Ist damit das Ende der klassischen Rockband gekommen?

Die neuen Stars sind keine Rock-Acts

Einige Anzeichen sprechen dafür: In der Liste fehlt es keineswegs an Acts, die ihre Karriere nach dem Jahr 2000 begonnen haben, wie beispielsweise Rihanna, Taylor Swift, Bruno Mars, Kayne West, Lady Gaga, Beyoncé und Katy Perry. Allerdings handelt es sich bei keinem dieser Künstler um Rockmusiker nach üblichem Verständnis, sondern um Pop-, R&B- und Hip-Hop-Acts.

Auch bei den erfolgreichsten Tourneen ergibt sich ein ähnliches Bild. In der Liste der erfolgreichsten Tourneen der aktuellen Dekade stehen neben etablierten Rockmusikern wie U2, Guns N’ Roses und AC/DC vornehmlich aktuelle Popstars wie Taylor Swift, Justin Bieber, Beyoncé und One Direction. Allenfalls Coldplay könnte man mit viel gutem Willen als Rockband bezeichnen.

Elektrische Gitarren auf dem Rückzug

Diese Entwicklung ist auch an anderer Stelle zu beobachten. Die Verkäufe elektrischer Gitarren sind in den USA im Verlauf der letzten Dekade um mehr als 20% gesunken.

Interessanterweise ist bei akustischen Gitarren ein gegenläufiger Trend zu beobachten, vielleicht ja ein "Ed-Sheeran-Effekt"? Jedenfalls haben sich die technischen Möglichkeiten enorm gewandelt. Man muss nicht über ein teures Studio verfügen, um Musik in guter Qualität aufzunehmen. Auch schaffen elektronische und virtuelle Instrumente gänzlich neue Möglichkeiten.

Neue Möglichkeiten der Verbreitung

Zudem stehen aufstrebenden Musikern heute gänzlich andere Wege zur Verbreitung der eigenen Musik zur Verfügung. Die Bedeutung von Plattenfirmen ist stark gesunken, stattdessen haben Youtube, Soundcloud, Spotify und andere Streaming-Dienste enorm an Bedeutung gewonnen.

Der Youtube-Star der neuen Generation ist aber meist eine Person, keine aus mehreren Personen bestehende Rockband. Das hat natürlich direkte Auswirkungen auf junge Musiker, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Aktuelle Vorbilder finden sich bei Youtube in Massen – aber es sind eben in der Regel keine Bands.

Licht im Schatten

Dennoch wäre es voreilig, Rockbands allgemein abzuschreiben. Wenn man die Lage genauer betrachtet, ergibt sich durchaus ein differenziertes Bild.

Wer unter Rockbands lediglich Bands im Stil der Rockmusik der 1970er Jahre versteht, häufig Classic Rock genannt, verkennt die zunehmende Ausdifferenzierung des Genres. Im Bereich der harten Musik erzielen Metalcore-Bands große Erfolge bei einem vornehmlich jungen Publikum. Bands wie Rise Against, Bring Me The Horizon oder Bullet For My Valentine spielen in großen Hallen vor mehreren tausend Zuschauern – und betreiben die Musik als Hauptberuf.

Klassische Rockmusik im Stil der 1970er Jahre findet hingegen im Augenblick in kleinerem Rahmen statt. Gute Bands, die diesen Stil verkörpern – wie Airbourne oder Rival Sons – treten in 1000er-Clubs auf, sind aber keine Massenphänomene wie die großen Rockstars früherer Zeiten. Selbst Bands, die sich ganz offen in die Tradition des Classic Rocks stellen wie Greta van Fleet passen ihren Studiosound an moderne Hörgewohnheiten an.

Aber es muss modern klingen

Wirklichen Massenerfolg erzielen unter den Rockbands solche Acts, die keine Scheu vor modernem Chartsound haben und Attribute wie "ehrlich und handgemacht" möglichst weit von sich weisen. Imagine Dragons sind hierfür das passende Beispiel. Allerdings ist das mit dem Ethos vieler Rockmusiker kaum zu vereinbaren, die ja gerade stolz darauf sind, dass ihre Musik "mit richtigen Instrumenten" eingespielt wird.

Dadurch ergibt sich ein differenziertes Bild: Junge Musiker haben sich Ausdrucksmöglichkeiten jenseits des "klassischen" Rocksounds erschlossen. Dieser prägt zwar die Wahrnehmung vieler Musikfans immer noch stark, ist aber offensichtlich im Augenblick nicht sonderlich gefragt. Die spannende Frage lautet: Wird sich dieser Trend irgendwann umkehren?

Unwiderruflich           

Dass die Rockmusik wieder zur Bedeutung zurückkehrt, ist unwahrscheinlich. Allerdings ist es fast sicher, dass Ankündigungen ihres Todes massiv übertrieben sind. Zum einen existiert sie in zeitgemäßer Form fort – und das nicht nur in Nischen, sondern auch in großem Rahmen.

Zum anderen folgt auf jeden Trend eine Gegenbewegung: Es ist gut möglich, dass in einigen Jahren die Rockmusik ein unerwartetes Comeback feiert. Aber sie wird nicht mehr klingen wie in den 1970ern.

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