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Musikhören mit Konsequenzen

SoundCloud hostet Musik von rechtsextremen Bands – und outet deren Hörer/innen

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 22.06.2022

soundcloud streaming

SoundCloud hostet Musik von rechtsextremen Bands – und outet deren Hörer/innen

© Jan Michalko / droidconglobal (https://www.flickr.com/photos/droidcon/27815925725/in/album-72157670057736215/) / Lizenz: CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)

Laut Recherchen von NDR und SWR werden auf der Streaming-Plattform SoundCloud zahlreiche Songs von rechtsextremen Bands gehostet. Durch die Social Media-Funktionen der Plattform gelangen auch jene User an die Öffentlichkeit, die die Musik liken und teilen.

In stichprobenartigen Untersuchungen von NDR und SWR fanden diese über 150 Titel von in Deutschland indizierten Alben auf der Streaming-Plattform SoundCloud – darunter vornehmlich Musik von einschlägigen Rechtsrock Bands wie Landser oder Stahlgewitter. 

Wiedergänger

Erst im Mai 2022 war SoundCloud gemeinsam mit der Ermittlungsbehörde Europol sowie mit Unterstützung von Dänemark, Deutschland, Ungarn, Portugal, Spanien und dem Vereinigten Königreich gegen terroristische und extremistische Inhalte vorgegangen. 

Dabei wurden zahlreiche Titel gelöscht – neben Songs bekannter Rechtsrock-Bands u.a. auch sogenannte "Nashids", rhythmische Sprechgesänge mit islamistischen Inhalten. Doch nach nur wenigen Wochen entdeckten NDR und SWR zahlreiche der gelöschten Songs erneut auf SoundCloud. 

Der rechtliche Hintergrund

Ist das Vorgehen gegen extremistische Inhalte auf SoundCloud also ein Kampf gegen Windmühlen, wie es der Hamburger Medienrechtler Stephan Dreyer gegenüber der Tagesschau angibt? Fest steht, dass Plattformen wie SoundCloud, auf der User selbst Musikstücke hochladen können, and das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz gebunden sind.

Dies schreibt vor, dass rechtswidriger Content innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden muss, nachdem er gemeldet wurde. SoundCloud teilte nach Anfrage des NDR und SWR mit, man halte sich an die geltenden deutschen Gesetze.

Daneben verfügt SoundCloud auch über einen externen Dienstleister, der nach rechtswidrigen Inhalten suchen soll. Doch ist zur Effizienz des Dienstleisters nichts bekannt; rein rechtlich wäre er nicht einmal notwendig. Denn User Uploaded Content-Plattformen wie SoundCloud müssen nicht selbst nach indizierten Inhalten suchen – für Dreyer ein "Anreiz zum Wegschauen."

Einen hat's erwischt

Wenngleich also SoundCloud nicht mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat, wird die Recherche von NDR und SWR für mindestens eine Person ein Nachspiel haben – für den Soldaten Philipp K. aus einer Panzergrenadier-Einheit in Vorpommern. 

Wie sich bei den Untersuchungen herausstellte, hat dieser u.a. einen Song der bekannten rechtsextremen Gruppe Landser auf SoundCloud geliked. Die Musik von Landser steht zu weiten Teilen auf dem Index; der Bundesgerichtshof stufte die Gruppe als kriminelle Vereinigung ein. 

Rechtsextremistische Bestrebungen?

Philipp K.'s "Gefällt mir"-Angabe für den besagten Song könnte nun eine Ermittlung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) nach sich ziehen, wie die Tagesschau berichtet. Denn: Bereits ein Like für einen solchen Song könnte laut Bundesamt für Verfassungsschutz einen "ersten Anhaltspunkt für das Vorliegen einer rechtsextremistischen Bestrebung" darstellen. Dazu ein Vertreter des MAD:

"Das Hören, Liken und Teilen von rechtsextremistischer Musik stellt immer einen tatsächlichen Anhaltspunkt für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung dar und löst eine nachrichtendienstliche Verdachtsfalloperation aus. "

K., dessen öffentliches Auftreten in sozialen Netzwerken ihn eindeutig als Soldat zu erkennen gibt, gibt an, im vorliegenden Fall gar nicht wirklich auf den Text geachtet zu haben: 

"Ich liebe Musik und achte meistens auch gar nicht so extrem auf Texte, sondern ich mag es, wenn zum Beispiel die Gitarre gut mit dem Schlagzeug oder dem Bass harmoniert, dass ich dann gerne Mal den Text vernachlässige. Ich bin von mir selbst geschockt. Ich habe mich selbst enttäuscht."

Keine Auskunft

Ein anderer Soldat soll nach NDR- und SWR-Recherche das Propaganda-Lied "SS marschiert in Feindesland" geliked haben. Ob gegen diesen Soldaten und gegen Philipp K. nun jedoch tatsächlich ermittelt wird, bleibt unklar – der MAD machte unter Berufung auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten keinen näheren Angaben hierzu. 

Soldat/innen können nach den Ermittlungen des MAD als "Person mit fehlender Verfassungstreue" oder so gar als "Extremist" eingestuft werden. Dies führt bis zur Kündigung, so das Bundesverteidigungsministerium.

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