Klage abgewiesen
BGH lehnt Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle ab
bundesgerichtshof coronakrise kulturpolitik
Erbgroßherzogliches Palais mit Brunnen. © Joe Miletzki
Während der Corona-Pandemie erlitten viele Musikern und andere Mitglieder der Kulturbranche aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen teilweise beträchtliche Einnahmeausfälle.
Martin Kilger, Betreiber einer im Allgäu ansässigen Produktionsfirma für Musik und Film und Leiter einer Band verklagte das Land Baden-Württemberg wegen Verdienstausfällen durch abgesagte Auftritte im Zeitraum März bis Juli 2020 auf eine Entschädigung von 8.300 Euro.
In zwei Vorinstanzen war die Klage von Martin Kilger bereits abgewiesen worden, jetzt unterlag er auch vor dem BGH. Das vollständige Urteil liegt noch nicht vor, dafür gibt es eine ausführliche Pressemitteilung.
Nicht rechtswidrig oder unverhältnismäßig
Der dritte Zivilsenat des BGH entschied, dass der Kläger keinen Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichem Eingriff in sein Eigentumsrecht besitzt. Das würde nämlich voraussetzen, dass der Staat mit den Corona-Maßnahmen rechtswidrig in geschützte Rechtspositionen eingegriffen hätte und dem Betroffenen ein besonderes Opfer auferlegt worden wäre.
Bei den Veranstaltungsverboten und -Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie handelte es sich nach Auffassung des BGH nicht um rechtswidrige oder unverhältnismäßige Maßnahmen des Landes Baden-Württemberg. Die Maßnahmen waren nach Ansicht des Gerichts notwendig, um die Verbreitung des Coronaviruses einzuschränken.
Die Begründung im Detail
Der BGH erklärt, durch die Veranstaltungsverbote und -beschränkungen sei unbestritten in den Gewerbebetrieb des Klägers als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG eingegriffen worden, da der Kläger die "Betriebsmittel" vorübergehend nur gar nicht oder nur eingeschränkt habe nutzen können.
Allerdings seien die angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen verhältnismäßig gewiesen, da sie einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck dienten.
Das Ziel habe darin bestanden, durch "Reduzierung zwischenmenschlicher Kontakte die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen und das exponentielle Wachstum der Infektionen zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die befristet und abgestuft angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren auch erforderlich, weil gleich geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung standen."
Keine Pflicht zur Entschädigung
Der BGH erklärt weiterhin, es habe sich von Anfang an um zeitlich begrenzte Maßnahmen gehandelt. Das Land habe von Anfang an eine "Ausstiegs-Strategie" im Blick gehabt und ein "stufenweises Öffnungskonzept" verfolgt.
Zudem habe der Staat "großzügige" Hilfsprogramme ins Leben gerufen, um die Folgen der Corona-Maßnahmen zu mildern. Dazu zählte die "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige", die es ermöglichte, bis zu 9.000 Euro an Hilfszahlungen zu erhalten. Diese Bundeshilfe sei zudem durch Landesprogramme ergänzt worden.
"Nicht unzumutbar"
Das Gericht machte deutlich, dass aufgrund dieser zeitlichen Begrenzung, der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und des stets vorhandenen unternehmerischen Risikos der Staat nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet ist.
Der Zeitraum, in dem sich das Veranstaltungsverbot "wie eine Betriebsuntersagung auswirkte", betrug nach Meinung des BGH "lediglich zweieinhalb Monate." Danach sei es dem Kläger wieder möglich gewesen, "in eingeschränktem Umfang die von ihm angebotenen Dienstleistungen zu erbringen." Dieser Zeitraum sei für den Gewerbebetrieb des Klägers nicht unzumutbar gewesen.
Hoffnung enttäuscht
Zuvor hatte der dritte Senat des BGH noch erklärt, dass die Auftrittsverbote während des Lockdowns durchaus einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen könnten, was bei manchen Kulturschaffenden Hoffnung auf eine Entschädigung geweckt hatte.
Insbesondere Soloselbständige aus dem Kulturbereich hatten massiv unter den Corona-Maßnahmen gelitten, da sie oft keine oder keine signifikanten Hilfszahlungen erhielten. Insbesondere die Überbrückungshilfe erwies sich für diese Gruppe als ungeeignet, da sie nur für Betriebsausgaben eingesetzt werden durfte, die aber bei vielen Solo-Selbstständigen nicht anfielen.
Noch ist jedoch nicht aller Tage Abend, denn der Fall könnte immer noch vor dem Bundesverfassungsgericht landen, das prüfen würde, ob der BGH bei seiner Entscheidungsfindung materielles Verfassungsrecht korrekt angewendet hat.
Teilweise fragwürdige Begründung
Während es durchaus nachvollziehbar erscheint, dass der BGH die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie grundsätzlich als verhältnismäßig ansieht, stellt sich aus den genannten Gründen die Frage, ob die Hilfsmaßnahmen wirklich so "großzügig" waren, wie der BGH meint.
Außerdem stellt sich die Frage, ob die Argumentation, die Schließung habe nur zweieinhalb Monate gedauert, der Realität gerecht wird.
Tatsächlich dauerten die Auswirkungen von Corona auf den Veranstaltungsbetrieb weitaus länger und führten noch viele Monate später zu massiven Umsatzrückgängen bei den betroffenen soloselbständigen Kulturschaffenden.
Während größere Unternehmen Kurzarbeit, Überbrückungshilfen und (insbesondere im Kulturbereich) andere Förderprogramme in Anspruch nehmen konnten, erhielten Soloselbständige bis zur Einführung der Neustarthilfe häufig keinen Ausgleich für die von ihnen erlittenen Umsatzrückgänge. Ihnen wurde nur der vereinfachte Bezug der Grundsicherung ("Hartz-IV") angeboten.
Es wäre wünschenswert, wenn das Bundesverfassungsgericht die Frage aufgreifen würde, ob dieses Vorgehen tatsächlich ausreichend war.
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