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Für Fairness und Transparenz

Europäisches Parlament fordert bessere Streaming-Vergütung für Musiker

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 19.01.2024

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Europäisches Parlament fordert bessere Streaming-Vergütung für Musiker

Das Europäische Parlament in Straßburg (2018). © European Union 2018 - Source : EP

Das Problem der unzureichenden Vergütung für Musiker durch Streaming-Dienste ist im Europäischen Parlament (EP) angekommen. In einem mit breiter Mehrheit angenommenen Initiativbericht fordert das EP eine höhere Vergütung für Musikschaffende sowie mehr Transparenz von Streaming-Diensten.

Der Initiativbericht [Link zum PDF] richtet sich an die Europäische Kommission, die darin aufgefordert wird, die Mechanismen des Streaming-Markets zu untersuchen und dem Europäischen Parlament einen Vorschlag zu dessen Regulierung zu unterbreiten. 

Das Ziel des Beschlusses ist die Stärkung der kulturellen und musikalischen Vielfalt, die durch das aktuelle Streaming-System gefährdet werde.

Benachteiligung von Musikschaffenden

Das EP kritisiert, das "derzeitige Ungleichgewicht bei der Verteilung der Einnahmen auf dem Musikstreaming-Markt" benachteilige sowohl Urheber wie ausübende Künstler und gefährde ihre wirtschaftlichen Bestrebungen, wie aktuelle Studien belegten. 

Das EP plädiert für "eine gerechtere Vergütung von Urhebern und ausübenden Künstlern". Es fordert die EU Kommission daher auf,

"die Auswirkungen der bestehenden Vertragspraktiken auf dem europäischen Musikstreaming-Markt sowie des derzeitigen Modells der Einnahmenverteilung für Musikstreaming-Dienste auf die kulturelle Vielfalt und den Grundsatz einer angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung für Urheber und ausübende Künstler zu bewerten und in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Interessenträgern geeignete Maßnahmen zu prüfen, einschließlich alternativer und gerechterer Modelle zur Umverteilung der Streaming-Einnahmen."

Falls die Musikindustrie keine freiwilligen Maßnahmen ergreife, solle die EU Kommission gesetzgeberisch tätig werden, um die "derzeitigen Ungleichheiten auszugleichen" und die kulturelle Vielfalt zu fördern. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Vergütungsmodell spricht das EP allerdings nicht aus.

Kein klares Bekenntnis zu einem userzentrierten System

In einer Pressekonferenz erklärte Niklas Nienaß, der "Schattenberichterstatter" der Grünen im Europäischen Parlament, das bisherige System führe dazu, dass die Superstars profitierten, während für die meisten anderen Acts nur die "Krümel" übrig blieben.

Nienaß betonte, dass es sich dabei nicht um "kleine" Acts handele, sondern um Künstler und Künstlerinnen, die signifikante Streaming-Abrufe generieten. Die Lösung sei ein user-zentriertes Vergütungsmodell, das dafür sorgt, dass diejenigen Künstler das Geld erhalten, die der zahlenden User tatsächlich hört.

Allerdings verzichtete das EP auf das eindeutige Bekenntnis zu einem solchen Modell, um die breite Mehrheit für den Beschluss zu erhalten, so Nienaß. 

Fehlende Transparenz

Das EP kritisiert nicht nur die Höhe der Vergütung von Musikern und ausübenden Künstlern, sondern auch die fehlende Transparenz im Hinblick auf die Festlegung der Vergütung.

Obwohl der Bericht Spotify nicht direkt erwähnt, kann man darin einen Hinweis auf die wenig transparente Festlegung der 1.000 Stream-Grenze erkennen, ab der Spotify erst Streams vergüten will.

Einen Mangel an Transparenz sieht das EP auch bezüglich der Algorithmen und übrigen "Systeme zur Empfehlung von Inhalten auf allen wichtigen Musikstreaming-Plattformen" und fordert die EU Kommission auf, für Abhilfe zu sorgen.

Da der Streaming-Markt durch wenige marktbeherrschende Anbieter dominiert werde, müsse die EU Kommission zudem sicherstellen, dass das Gesetz über digitale Märkte und das Gesetz über digitale Dienste schnell umgesetzt werden, um "unlauteren Wettbewerbspraktiken" Einhalt zu gebieten.

Handlungsbedarf gebe es auch bei der Vollständigkeit der Metadaten, die eine genaue Identifizierung von Musikstücken, Künstlern und Rechteinhabern erlauben. Das EP verlangt von den Akteuren der Musikindustrie "ihre Anstrengungen zu intensivieren, um eine umfassende und korrekte Zuweisung der Metadaten von Musikstücken sicherzustellen."

Kennzeichnung für KI-Inhalte

Im Zusammenhang mit der immer stärker wachsenden Zahl von täglich auf die Online-Streaming-Dienste hochgeladenen Musikstücken fordert das EP die Kennzeichnung von durch generative KI erstellten Inhalten.  

Für das Training von KI-Systemen soll das Transparenz-Gebot gelten: Unternehmen sollten die Verwendung von Trainingsdaten dokumentieren, damit sichergestellt wird, dass Rechte der Urheber und Urheberinnen nicht verletzt werden.

Die Folgen des Beschlusses

Der Initiativbericht ist ein Instrument des Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union. Die Gesetzgebungsinitiative in der EU liegt alleine bei der EU Kommission nicht beim EU Parlament. Das Parlament kann also nicht direkt tätig werden, sondern nur die Kommission zum Handeln auffordern.

Mit dem Beschluss fordert das Europäische Parlament die Europäische Kommission auf, ihm einen Vorschlag zur Regelung eines in den Zuständigkeitsbereich der EU fallenden Gegenstands zu unterbreiten (in diesem Fall eben der Streaming-Markt).

Wahlen stehen bevor

Eine schnelle Entscheidung ist angesichts des komplizierten Verfahrens nicht zu erwarten. Außerdem finden im Juni 2024 Wahlen zum Europäischen Parlament statt.

Im Sommer 2024 wird daher ein neuer EU Kommissionspräsident oder eine Kommissionspräsidentin gewählt, wobei es möglich ist, dass die aktuelle Amtsinhaberin Ursula von der Leyen nochmals antritt. Eine Antwort der EU Kommission ist daher nicht vor 2025 zu erwarten.

Dennoch ist eine EU-Regelung vermutlich erfolgsversprechender als nationale Initiativen. Das zeigt die Reaktion von Spotify auf die von Frankreich eingeführte Streaming-Steuer. Spotify und andere Streaming-Anbieter könnten die EU schon aufgrund ihrer Größe nicht ignorieren oder "bestrafen".

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