Für faire Verträge und angemessene Vergütung
Initiative Urheberrecht kritisiert "freie Lizenzen" im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
© Anna Shvets
Ihre Stellungnahme richtet die Initiative Urheberrecht an Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte, die Direktionen und Intendanzen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkts (ÖRR) sowie die verantwortliche Politik auf Länderebene.
Wachsender Druck
In ihrem Schreiben kritisiert die Initiative Urheberrecht den Umstand, dass viele Branchen einem wachsenden Druck ausgesetzt seien, sogenannte "freie" Lizenzen abzuschließen – oftmals gegen die Interessen der Beteiligten.
Betroffen seien etwa Film, Text, die Darstellenden Künste, Bild, Musik sowie die originären Radiokünste, aber auch in anderen Branchen mache sich die Problematik bemerkbar. Aus diesem Grund wird das Schreiben auch durch Organisationen unterstützt, deren Mitglieder nicht oder selten im Bereich TV oder Radio arbeiten.
Was sind freie Lizenzen?
Unter einer freien Lizenz lässt sich eine Nutzungslizenz verstehen, die anderen die Nutzungsrechte an einem urheberrechtlich geschützte Werke einräumt.
Mit einer freien Lizenz gekennzeichnete Werke dürfen unter anderem vervielfätigt und weiter verbreitet oder verändert werden ohne, dass sich Nutzer*innen dieser Inhalte zuvor ein persönliches Einverständnis bei dessen Urheber*in einholen oder eine Vergütung zahlen müssen. Halten sie sich an die je nach Lizenz-Art festgelegten Regelungen, dürfen sie die entsprechenden Inhalte verwenden. Somit wird ein vereinfachter Zugang zu Medieninhalten gewährt.
Als am verbreitetesten gelten die freien Lizenzen von Creative Commons – kurz CC-Lizenzen. Diese gelten weltweit für eine unbegrenzte Zeit. Die Vergabe einer CC-Lizenz ist zudem unwiderruflich. Kreativschaffende können die Entscheidung eine CC-Lizenz zu vergeben, nicht mehr rückgängig machen.
Wirtschaftliche Basis in Gefahr
Die Initiative Urheberrecht argumentiert, dass die Versuche, Urheber zur Vergabe freier Lizenzen zu verpflichten, die urheberrechtliche Vergütungssystematik in Deutschland gefährde. Im Schreiben heißt es:
"Ein Instrument, das ursprünglich für die vereinfachte Selbstpublikation durch private Urheber:innen gedacht war, die ihre Werke nicht zu Erwerbszwecken schaffen, kann im öffentlich-rechtlichen System in Deutschland den Einstieg in den Ausstieg aus der angemessenen (Nutzungs-) Vergütung bedeuten und zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Basis der schöpferisch Tätigen führen."
Die zunehmende Tendenz zu CC-Lizenzierungen könne laut Stellungnahme zu einer Gefährdung der Vielfalt, der Nachhaltigkeit, der Beschäftigung und des Umsatzes der drittstärksten Teilbranche der deutschen und europäischen Volkswirtschaft führen.
Vergütungsansprüche missachtet
Schöpferische Tätigkeiten, ohne die es auch keine öffentlich-rechtlich finanzierte Inhalte gibt, haben einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung. Nach der Initiative Urheberrecht, entstehe durch die Einführung einer standardisierten Anwendung von CC-Lizenzen die Gefahr, dass diese im Urheberrecht vorgesehenen Vergütungsansprüche aufgeweicht und missachtet werden.
Die Versehung von künstlerischen, kulturellen, journalistischer und publizistischer Werke mit CC-Lizenzen würde eine weitere kommerzielle Verwertung zudem sinnlos machen. Gerade diese seien für professionelle Kulturschaffende (aber auch Produzent*innen, Sender*innen oder Distributor*innen) von existentieller Bedeutung.
Bei den eigentlichen Profiteuren des neuen Konzepts handelt es sich dem Schreiben nach letztendlich um US-Giganten wie Google oder YouTube, die auf die CC-lizenzierten Inhalte zugreifen und benutzen dürften.
Unvereinbarkeit mit aktuellen Tarifverträgen im ÖRR
Weiter erklärt die Stellungnahme, dass eine standardisierte Anwendung von CC-Lizenzen nicht mit den aktuellen Tarifverträgen im ÖRR vereinbar sei.
Momentan werde ein Großteil der öffentlich-rechtlichen Inhalte von arbeitnehmerähnlichen Freien gefertigt, für die große Anstalten Urhebertarifverträge abgeschlossen haben, die eine Einräumung von CC-Lizenzen an Dritte nicht vorsehen. Um dies zu ändern, müssten zuerst die Urhebertarifverträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überarbeitet werden.
Dafür wiederum wäre eine Etataufstockung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks erforderlich, denn eine entsprechend höhere Erstvergütung würde die verlorene Zweitverwertungsmöglichkeit kompensieren. Ohne diese Kompensation würden sich die Gewerkschaften höchstwahrscheinlich nicht mit der Einräumung der CC-Lizenzen für Dritte einverstanden erklären.
Gestellte Forderungen
Die Vertreter*innen des Schreibens bezeichnen den Umstand, dass die Entscheidung über die CC-Freigabe nicht mehr durch die schöpferischen Tätigen selbst, sondern durch Geschäftsbedingungen von Verwertern und Streaming Plattformen als ein Auf-den-Kopf-stellen der eigentlichen Idee der CC-Lizenzierung, die dadurch zu einer unfreiwilligen "freien Lizenz" würde.
Sie rufen alle Verantwortlichen in den öffentlich-rechtlichen Medien dazu auf, den Ausverkauf der Rechte der Kulturschaffenden über CC-Lizenzierungen oder sonstige Buy-Out Regelungen zu stoppen, uns sich für den Einsatz fairer und nachhaltiger Vergütungsstrukturen im Rahmen des Urheberrechts einzusetzen.
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