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"Der Lizenzmarkt wird noch eine ganze Weile sehr wichtig bleiben"

"Mein Plan B": Andreas Fabritius, Sounddesigner und Musikproduzent (POL1Z1STENS0HN, Kebekus u.a.m.)

Interview von Martell Beigang
veröffentlicht am 02.02.2021

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"Mein Plan B": Andreas Fabritius, Sounddesigner und Musikproduzent (POL1Z1STENS0HN, Kebekus u.a.m.)

Andreas Fabritius. © Niko Brockmann (va-pictures.com)

Nur wenige Musiker leben ausschließlich von ihrer eigenen Musik. Für die meisten Profis besteht ihr Job aus ganz unterschiedlichen Facetten. In unserer Serie Plan B stellen wir euch Kollegen vor, die interessante Nischen besetzen. Diesmal sprechen wir mit Andreas Fabritius (SCORE SQUAD), Sounddesigner und Musikproduzent aus Köln, unter anderem über gemafreie Musik und das Lizenzgeschäft mit Stock Music.

Backstage PRO: Hallo Andreas, wo treffe ich dich an?

Andreas: Im Büro bzw. Studio – ich versuche immer schon um 9 Uhr da zu sein. Morgens bin ich effektiver. Oft bin ich dann auch bis spät hier, mache dann aber eine längere Mittagspause. Ich bin auch echt gerne hier. SCORE SQUAD ist ja nicht einfach ein Job, es macht Spaß und ist auch meine Leidenschaft.

Backstage PRO: Wie bist du zu deinem Job gekommen?

Andreas: 1996 habe ich angefangen Musik zu machen und mit einem Freund eine HipHop-Gruppe gegründet, da war ich 16 Jahre alt. Wir haben eigene Texte geschrieben und ich habe die Beats produziert. Da wusste ich schnell, dass ich das beruflich machen will. Eigentlich bin ich null musikalisch, deswegen würde mich auch nicht als Musiker, sondern eher als Gestalter sehen. Ich hatte 1999 Kunst im Abi und habe zwei Semester Kunst auf Lehramt studiert. Aber das bringt alles nix, wenn das Herz für die Musik schlägt.

Ich habe dann die Ausbildung zum technischen Tonmeister an der Music Support Group in München (heutige Deutsche Pop; Anm.d.Red.) gemacht und dann kam eins zum anderen. Irgendwann fragte mich ein Freund: "Ich habe hier einen Film, willst du nicht die Musik dazu machen?" Danach kam die erste kleine Kinowerbung, da bewegte ich mich schon langsam weg vom HipHop-Kosmos, mehr hin zur Werbung. Generell habe ich immer alles gleichzeitig gemacht, also nicht nur Musik produziert, sondern auch Sound Design, Tracks gemischt, Rapper recorded und eine Zeit lang habe ich Filme synchronisiert.

Backstage PRO: Das hat geschäftlich für dich alles rasch gut funktioniert?

Andreas: Ich wollte nie etwas anderes machen als im Studio zu arbeiten, aber nur mit Musik Geld zu verdienen, war und ist auch nicht einfach. 2008 bin ich dann von Süddeutschland nach Köln gezogen. Ein guter Freund, Philipp Käßbohrer, der heute die Bildundtonfabrik leitet, schlug vor: "Komm mit nach Köln, wir gründen eine Firma. Ich mache Bild, du machst Ton." Wir hatten dann ein gemeinsames Studio am Barbarossaplatz, später sind wir dann mit immer mehr Leuten nach Ehrenfeld gezogen. Wir produzierten damals viele Sachen für den WDR, eigene Filme und die Sendung "Roche und Böhmermann". Nebenbei habe ich meine eigenen Sachen gemacht und mit dem Lizenzgeschäft angefangen. 2012 habe ich mich dann nur noch auf meine eigenen Projekte konzentriert, ich wollte wieder mehr Musik machen.

Backstage PRO: Die Zusammenarbeit läuft aber weiterhin, wie man an einigen erfolgreichen Tracks sehen kann.

Ja, wir arbeiten heute immer noch zusammen, alle Polizistensohn Tracks, die Musik der Kebekus Show und ihr Song "Im Namen der Mutter" wurden von mir und meinem Team produziert. Seit 2012 macht SCORE SQUAD generell viele Auftragsproduktionen. Wir arbeiten für große Brands und investieren auch viel Zeit und Energie in die eigene gemafreie Musik-Library.

"Ich hatte das Gema-Prinzip eh nicht so richtig verstanden"

Backstage PRO: Kurze Zwischenfrage: In meinem Weltbild gibt es da einen Konflikt, als Musiker ist man ja normalerweise in der Gema und darf gar keine gemafreien Stücke produzieren.

Andreas: Das ist auf jeden Fall so. Ganz am Anfang war ich auch in der Gema und bin dann auch deswegen ausgestiegen, weil ich flexibel sein wollte. Ich hatte das Gema-Prinzip eh nicht so richtig verstanden. Ich fand komisch, dass man da als Künstler unterschreibt und nicht pro Song. Daraufhin habe ich mich bei der BMI – der amerikanischen Verwertungsgesellschaft – angemeldet, die bieten direct licensing. Das bedeutet, dass man entscheiden kann, welchen Song man verwertet und welchen man freigestellt haben möchte.

Backstage PRO: Und deine Firma SCORE SQUAD erstellt diese gemafreien Tracks?

Andreas: Unter diesem Namen bündele ich eigentlich alle unsere Aktivitäten, also die Music Library und die Auftragskompositionen. SCORE SQUAD bin ich in Kombinationen mit einzelnen anderen Personen, zum Beispiel Komponisten und Musikern. Und dann gibt es wie in jeder Firma Leute für Social Media, Akquise und Praktikanten, die auch mal helfen Songs fertig zu machen oder Variationen schneiden.

Andreas Fabritius

Andreas Fabritius, © Niko Brockmann (va-pictures.com)

Backstage PRO: Hast du eine eigene Library und was genau ist Soundtaxi?

Andreas: Soundtaxi betreibe ich nicht. Das ist eine Production-Music Website, auf der wir alle unsere Titel anbieten. Soundtaxi gibt es seit 2005. Am Anfang war ich skeptisch und fragte mich, ob dort die eigene Musik billig verramscht würde. Aber 2010 habe ich dann doch mal versucht Tracks einzustellen und gemerkt, dass das super läuft. Die Library ist von Tim Rheinwald, inzwischen ein Freund von mir. Er hat da mehr als 300 verschiedene Artist auf seiner Seite.

Backstage PRO: Und ein Song, der dort steht, kann theoretisch mehrfach genutzt werden?

Andreas: Genau das ist das Prinzip dahinter. Die Songs sind non exclusive verfügbar. Jeder kann sie benutzen. Je nach Verwendungsart und Gebiet ändert sich dann auch der Preis für die Nutzung. Es richtet sich nach der Hörerschaft. Eine TV-Werbung ist natürlich viel teurer als ein kleiner Imagefilm.

Backstage PRO: Kann der Kunde sagen: Ich hätte den Song aber auch gerne exklusiv?

Andreas: Das gab es schon, dann nehmen wir den Song halt für ein Jahr raus. Aber da wäre dann eigentlich der logische Weg, dass der Kunde direkt etwas in Auftrag gibt, damit er nicht Gefahr läuft, dass der Track schon vorher benutzt wurde.

Backstage PRO: Du bist mit eurem Material sehr präsent bei Soundtaxi.

Andreas: Ja, Soundtaxi ist definitiv die Seite, auf der wir die meisten Tracks haben und wir sind schon seit einigen Jahren most selling artist. Also es gibt noch andere, bei denen unsere Musik angeboten wird. Ich versuche weltweit präsent zu sein und mit SCORE SQUAD eine Marke aufzubauen.

"Das Lizenzgeschäft alleine wäre auch etwas, von dem man leben könnte"

Backstage PRO: Ist das dein Hauptjob?

Andreas: Ich verdiene immer noch mehr Geld mit Auftragskompositionen, aber das Lizenzgeschäft alleine wäre auch etwas, von dem man leben könnte.

Backstage PRO: Wie gehst du vor, wenn du einen Track für die Library produzierst? Stellst du dir einen potentiellen Kunden vor?

Andreas: Eine meiner Stärken ist zu erahnen was Kunden wollen… also, ich habe auch viele Schwächen (lacht), deswegen arbeite ich ja auch mit Musikern zusammen, dadurch entstehen immer tolle Synergien!

Bei Auftragskompositionen naile ich es oft und der Kunde ist direkt von Anfang an happy. Wenn ich kein Bild dazu habe, stelle mir beim Komponieren immer vor, wozu es passen könnte, z.B. eine Autowerbung. Manche meiner Library-Tracks sind aber auch andersrum genau für so eine Werbung entstanden. Wenn diese Titel dann nach Absprache mit dem Kunden in der eigenen Library landen, verkaufen sie sich tatsächlich besser. Es entsteht eine Chemie im Song, die Musik und Bild näher zusammenbringt. Als Trick hatte ich auch schon Youtube-Videos gemutet und dazu etwas komponiert, einfach als Inspiration. Ich bin immer sehr visuell, wenn ich produziere.

Backstage PRO: Machst du immer direkt mehrere Versionen?

Andreas: Meine Hauptkäufer sind ja Editoren, also Leute, die mit den Songs auch arbeiten. Die Kolleginnen sind natürlich dankbar, wenn es für eine Werbung schon fertige 60er-, 30er-, 15er-Sekunden Versionen gibt, die sie direkt einbauen können.

Backstage PRO: Wie hat sich die Coronakrise auf das Library-Geschäft und deine Aufträge ausgewirkt?

Andreas: Zu Beginn der Pandemie hab ich auf jeden Fall gemerkt, dass weniger Tracks bestellt werden, da laufende Projekte eingestellt oder verschoben werden mussten. Viele Kunden haben erstmal mit Investitionen gezögert und wollten erstmal die Lage abwarten, so meine Vermutung. Inzwischen hat sich alles etwas relativiert, denn obwohl die Event und Travel-Branche eingebrochen ist, ist dafür im Gaming-, Influencer- und Entertainment- Bereich wieder mehr passiert.

Backstage PRO: Wie kam deine Zusammenarbeit mit Böhmermann zustande?

Andreas: Die Bildundtonfabrik kam irgendwann – ich glaube 2015 – zu mir und meinte: Wir brauchen einen Song als Beitrag für die Sendung Neo Magazin Royal und Jan soll rappen. Wir steigerten uns da alle rein, so dass die BTF neben einem gut produzierten Track auch ein fettes Video dazu lieferte: "Ich hab Polizei" hatte dann nach 24 Stunden schon über eine Millionen Plays auf Youtube und schaffte es auch in die Top10 der deutschen Charts. Das war schon crazy. Da macht man jahrelang ernste Musik und eine Satire-Nummer wird dann ein Hit (lacht). Aber Charts sind für mich nicht wirklich wichtig. Eine goldene Platte, wäre zwar schön – ist aber nicht entscheidend. Ich bin ja auf einem ganz anderen Sektor unterwegs. Die Musik, die ich mache, ist für visuelle Inhalte für Medien, Werbung und Filme.

Aber die Zusammenarbeit machte großen Spaß. Seitdem haben wir mit Jan jedes Jahr einen Song releast.

Backstage PRO: Was hast du so in Zukunft vor?

Andreas: Es gibt schon so ein paar verrückte Pläne, ich weiß nicht ob das gut ist darüber zu reden, denn das kann Pech bringen. Wo ich immer Lust zu habe ist, SCORE SQUAD auszubauen und größer zu machen. Ob das jetzt in andere Bereiche geht, wie zum Beispiel bei Dr. Dre, der dann plötzlich Kopfhörer entwickelt und an Apple verkauft, kann ich noch nicht sagen. Es gibt so viele Möglichkeiten in andere Bereiche reinzugehen. Letztendlich wird Komponieren und Produzieren immer mein Bereich bleiben, weil ich es liebe. Ich versuche natürlich immer weiter zu kommen, den Namen größer zu machen. Ich habe Bock noch mehr für Film, Trailer und Spiele zu machen und es gibt den neuen Bereich Netflix. Umso größer die Kunden sind, umso besser.

Backstage PRO: Wenn in einem neuen Bereich wie bspw. Netflix eine Musik beauftragt würde, wie regelst du die Lizenzierung der Sync Rechte?

Andreas: Netflix ist ja Produktionsfirma und Sender in einem, deshalb haben die vermutlich keine Lust Gema zu zahlen und probieren dies so gut es geht zu vermeiden. Deswegen hätte ich mit der "direct licensing"-Option einen Vorteil – aber eben auch einen Nachteil, da ich ja auf meine Tantiemen verzichte. Aber in einem solchen Fall muss man eben auch gut verhandeln. Aber das ist jetzt fiktiv und spekulativ, denn so weit bin ich in dem Thema noch nicht drin.

"Gemapflichtige Tracks werden von den Kunden nicht so gerne genommen"

Backstage PRO: Hast du für Musiker, die in dein Segment vorstoßen und lizenzfreie Stock Music machen wollen, einen Tipp?

Andreas: Ich habe sogar eine super wichtige Botschaft, besser gesagt eine Warnung!

Es gibt verschiedene Websites, die gemafreie Musik zu Schleuderpreisen anbieten und das auf Kosten der Künstler. Es gibt zum Beispiel Portale, da zahlst du als Kunde 15 Dollar und darfst mit den Tracks machen was du willst. Das macht den kompletten Markt kaputt. Oder es gibt Seiten, auf denen der Kunde 200 Dollar pro Jahr zahlt und so viele Titel verwenden darf, wie er will. Der Kunde soll dann aber auch melden, was er benutzt, damit man die Künstler abrechnen kann. Das passiert dann in der Regel so gut wie nie. Dass da beim Künstler nichts hängen bleibt, ist klar.

Das Lizenzmodell von Soundtaxi dagegen ist fair. Die haben die Preise immer gehalten und sind künstlerorientiert. Seit 11 Jahren arbeiten wir erfolgreich zusammen und es hat sich immer richtig angefühlt. Auf die Gefahr hin, dass ich mir selbst Konkurrenz einlade fände ich es gut, wenn weitere talentierte Künstler zu Soundtaxi kämen. Denn wenn die Seite größer und qualitativ noch besser wird, ist das gut für alle.

Backstage PRO: Ich muss nochmal auf die Gemamitgliedschaft zurückkommen. Das scheint mir ein echtes Dilemma zu sein.

Andreas: Also Soundtaxi hat auch Tracks, die gemapflichtig sind, aber diese werden von den Kunden natürlich nicht so gerne genommen. Es gibt aber auch Portale mit gemapflichtiger Musik. Die versorgen damit TV-Serien, Shows oder Dokumentationen. In diesen Fällen zahlt der Fernsehsender die Gema-Abgaben und nicht die Produktionsfirma. Man kann sich also entscheiden: geht man in den gemafreien oder gemapflichtigen Markt.

Grundsätzlich glaube ich, dass der Lizenzmarkt noch eine ganze Weile sehr wichtig bleiben wird. Die Globalisierung hält einfach Einzug in die Musik. Du kannst von der ganzen Welt aus zugreifen und das ist für viele schon ziemlich interessant.

Backstage PRO: Vielen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Andreas: Sehr gerne, vielen Dank zurück.

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