×

Folgenschwerer Aufrtitt

The 1975 protestieren in Malaysia gegen schwulenfeindliche Gesetze – und werden verklagt

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 11.08.2023

the 1975 liveszene

The 1975 protestieren in Malaysia gegen schwulenfeindliche Gesetze – und werden verklagt

The 1975. © chuffmedia

Mit einem Kuss protestierten The 1975 Sänger Matty Healy und Bandmitglied Ross MacDonald während ihres Auftritts auf dem Good Vibes Festival in Malaysia gegen die Anti-LGBTQ-Gesetze des Landes. Nun hat der Veranstalter eine Klage gegen die Band angekündigt.

Das 10-jährige Jubiläum des Festivals sollte etwas ganz besonderes werden. Besucher/innen freuten sich auf verschiedenste lokale und internationale Acts, darunter auch die britische Indie-Rock-Band The 1975. 

Offener Protest

Am 21. Juli trat die vierköpfige Band als Headliner auf dem Festival in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur auf. Während des Auftritts kritisierte Sänger Matty Healy öffentlich die strengen Anti-LGBTQ-Gesetzte Malaysias:

"Ich habe einen Fehler gemacht. Als wir Shows gebucht haben, habe ich nicht darauf geachtet. Ich sehe keinen verdammten Sinn darin, The 1975 in ein Land einzuladen und uns dann zu sagen, mit wem wir Sex haben dürfen."

Nach einem Kuss mit Bassisten Ross MacDonald wandte sich Healy mit folgenden Worten ans das Publikum:

"Es tut mir leid, wenn Sie das beleidigt und Sie religiös sind und es Teil Ihrer verdammten Regierung ist, aber Ihre Regierung ist ein Haufen verdammter Idioten und es interessiert mich nicht mehr. Wenn ihr Druck macht, werde ich zurückschlagen. Ich bin nicht in der verdammten Stimmung, ich bin nicht in der verdammten Stimmung".

Kuss mit Folgen

Nach nur 7 Songs wurde der Auftritt der Band abgebrochen und The 1975 kurz darauf des Landes verwiesen. Einen Tag später erklärten die Veranstalter das ursprünglich für 3 Tage ausgelegte Festival auf Anordnung der Regierung für abgebrochen.

Der Festival-Veranstalter Future Sound Asia erklärte dazu: "Das Ministerium [für Kommunikation und Digitales] hat seine unnachgiebige Haltung gegenüber allen Parteien unterstrichen, die malaysische Gesetze in Frage stellen, lächerlich machen oder gegen sie verstoßen".

Finanzieller Tiefschlag

Zunächst ist der Abbruch des Festivals ein "katastrophaler, finanzieller Tiefschlag" für den Veranstalter Future Sound Asia, aber auch für kleinere einheimische Künstler/innen, die ihre Gage typischerweise nicht wie internationale Acts im Voraus erhalten.

Ebenso gehen die Besitzer von Essens- und Getränkeständen auf dem Gelände des Festivals leer aus. Ein Teil der Betroffenen hat einen Anwalt eingeschaltet, damit Künstler/innen und Verkäufer/innen für ihre Verluste kompensiert werden.

Auch Future Sound Asia hat Klage eingereicht. Laut dem Veranstalter sei sich die Band wohl bewusst gewesen, welche Regeln für Künstler/innen in Malaysia gelten. Mit seiner Kritik an den Gesetzen und Gesetzgebern des Landes sei Healy "absichtlich gegen die Vereinbarung zwischen seiner Band und dem Festival verstoßen".

Der Veranstalter sorgt sich um einen geschädigten Ruf des Festivals und fordert von der Band 3,2 Millionen US-Dollar Schadensersatz. Falls die Band nicht zahlt, will er The 1975 in Großbritannien verklagen. 

Gemischte Reaktionen

Der öffentliche Protest der Band trifft auf gespaltene Meinungen, auch innerhalb der LGBTQ- Community. Viele begrüßen, dass Healy die schwulenfeindlichen Gesetze des Landes in ein weltweites Rampenlicht rückt. Gleichzeitig erntet die Band Kritik. 

Die malaysische Drag Queen Carmen Rose befürchtet Konsequenzen für die LGBTQ-Bevölkerung des Landes. Der Vorfall könne Politikern Munition geben, um ihre (homophobe) "Agenda voranzutreiben", so Rose.

Nach dem Rauswurf auf dem Good Vibes Festival sagten The 1975 geplante Shows in Indonesien und Taiwan ab.

Treffende Kritik mit Schattenseiten

Die aggressive und überzogene Reaktion der malaysischen Regierung belegt zunächst lediglich, wie treffend die Kritik von The 1975 an den menschenfeindlichen Gesetzen des Landes war.

Es ist ein Armutszeugnis für Malaysia, sich einerseits mit aktuellen Popstars schmücken zu wollen und gleichzeitig diese nur zu tolerieren, sofern sie die eigenen reaktionären Ansichten nicht in Frage stellen.

Das verkennt nicht nur das Wesen des Pop- und Rockmusik, sondern von Kultur an sich, die der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten soll. In Malaysia soll sie wohl ausschließlich dazu dienen, im Gleichschritt zu marschieren.

Unglücklicherweise hat die ganze Geschichte aufgrund der finanziellen Folgen für Veranstalter, lokale Künstler/innen und andere Betroffene eine Schattenseite.

Lange Tradition der Unterdrückung

Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass es die malaysische Regierung ist, die hinter dem Abbruch des Festivals und der untragbaren Diskriminierung der LGBTQ-Community steht.

Darüber hinaus wird Homosexualität in der malaysischen Gesellschaft seit mindestens 30 Jahren diskutiert. Staatliche Organe haben darauf meistens mit Repression reagiert, die (nicht nur) in Malaysia eine lange Tradition hat. Die Behauptung, der Auftritt von The 1975 habe die Lage der dortigen LGBTQ-Community verschlechtert, erscheint also ausgesprochen fragwürdig.

Ob sich The 1975 nicht an Vereinbarungen hinsichtlich ihres Auftritts gehalten haben und dafür möglicherweise schadensersatzpflichtig sind, müssen möglicherweise Gerichte entscheiden. Es ist aber gänzlich unklar, warum britische Gerichte dafür zuständig sein sollten, wenn der Schaden doch in Malaysia entstand. 

Newsletter

Abonniere den Backstage PRO-Newsletter und bleibe zu diesem und anderen Themen auf dem Laufenden!