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Debatte um die Bedeutung von Kultur

CDU/CSU lehnt Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz ab

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 26.09.2023

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CDU/CSU lehnt Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz ab

© Norbert Bleck auf Flickr (https://flic.kr/p/HqmV1) / Lizenz: CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Schon 2005 schlug die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags "Kultur in Deutschland" vor, den Schutz und die Förderung von Kultur durch den Staat im Grundgesetz zu verankern – noch ist das allerdings nicht passiert. Insbesondere die Unionsfraktion steht einer solchen Änderung im Weg.

Im Jahr 2005 einigten sich alle Mitglieder der Kommission fraktionsübergreifend einstimmig auf die Formulierung "Der Staat schützt und fördert die Kultur".

In einer kürzlich abgehaltenen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags zu dem Thema lehnten CDU/CSU aber ab, den Beschluss in die Tat umzusetzen und das Grundgesetz zu ändern.

Bedenken der CDU/CSU

Laut den von der CDU/CSU bestellten Verfassungsrechtlern, Prof. Dr. Steffen Augsberg von der Justus-Liebig-Universität Gießen, Prof. Dr. Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität zu Berlin und Prof. Dr. Klaus F. Gärditz von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, habe die Aufnahme als Staatsziel in erster Linie symbolischen Charakter, der nicht einlösbare Erwartungen schüren würde, da "der Bund in der Kulturpolitik so gut wie keine Regelungskompetenz" habe.

Die Coronapandemie habe zudem gezeigt, dass "der Kultursektor auch ohne Staatsziel im Grundgesetz geschützt werden könne". Der Kulturbegriff sei "äußerst unbestimmt"; außerdem sei eine Aufnahme in das bundesweit gültige Grundgesetz ein Eingriff in die Kulturhoheit der Länder. 

Damit Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden kann, bedarf es jeweils einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Länderregierungen im Bundesrat. Ohne die Zustimmung der Unionsfraktion wird die Verankerung der Kultur als Staatsziel im Grundgesetz auf absehbare Zeit nicht möglich sein. 

Kritik von der FDP

Der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. h. c. Hans-Joachim Otto, der der damaligen Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" angehörte, widersprach den Argumenten der vehement. Der Bundestag habe 1994 den "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" als Staatsziel in Artikel 20a Grundgesetz verankert.

Es sei deshalb nur folgerichtig, wenn den kulturellen Lebensgrundlagen ein gleichwertiger Schutz eingeräumt werde. Zudem sei es falsch, dass aus einem Staatsziel sich juristisch nichts ableiten lasse.

So habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Bundesklimaschutzgesetz von 2021 das Staatsziel "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" als eine "justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll" verstanden – und damit keineswegs nur als unverbindliche Absichtserklärung verstanden.

Längst überfällig

Der Deutsche Kulturrat hält die Grundgesetzänderung für längst überfällig. Neben der FDP haben auch SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke ihre Unterstützung betont. 

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, appelliert an die CDU/CSU, ihre Meinung zu überdenken, um diese "wichtige Maßnahme für den Kulturbereich noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen". 

In einer Stellungnahme [PDF] erinnert er daran, dass die Bedeutung der Kultur während der Pandemie erst nach "heftigen Protesten der Kulturpolitiker*innen" im Infektionsschutzgesetz berücksichtigt wurde. Ein Staatsziel Kultur würde zudem zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen sowie zum Schutz von Kulturgut dienen. 

Im aktuellen Referentenentwurf des Kritis-Dachgesetzes ist Kultur nicht mehr als kritische Infrastruktur aufgeführt. Auch in diesem Zusammenhang würde eine Aufnahme von Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz dafür sorgen, dass dem Kulturschutzgedanken ausreichend Rechnung getragen wird.

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