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Zurück zur Normalität

Erfahrungsbericht: So verlief der "Neustart" des Musikunterrichts nach dem Ende der Corona-Maßnahmen

Spezial/Schwerpunkt von Pablo Poch Parramon
veröffentlicht am 15.07.2022

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Erfahrungsbericht: So verlief der "Neustart" des Musikunterrichts nach dem Ende der Corona-Maßnahmen

Der Präsenzunterricht kehrt nach Ende der Corona-Maßnahmen mit Macht zurück. © PPP

Musiklehrer/innen litten unter den Corona-Maßnahmen mehr als viele andere Berufsgruppen. Wie hat sich die Lage an den Musikschulen und bei den privaten Musiklehrer/innen entwickelt seitdem fast alle Beschränkungen aufgehoben wurden? Und welche Erkenntnisse lassen sich aus den Erfahrungen der Pandemie ziehen?

Während der bisherigen Pandemie gab es für den Unterricht unterschiedliche Beschränkungen, die Musiklehrer/innen einhalten mussten. Lange Zeit zählte das das Tragen einer Maske dazu: Die Maske durfte nur ausnahmsweise im Gesangsunterricht oder beim Spielen von Blasinstrumenten abgelegt werden.

Teilweise existierten aber auch Beschränkungen, die sich nach dem Alter oder dem Impfstatus der Schüler/innen richteten. Zeitweise war Onlineunterricht sogar die einzige Möglichkeit, den Unterricht überhaupt anbieten zu können.

Um die Frage zu beantworten, wie Musiklehrer/innen damit umgegangen sind, möchte ich meine eigenen Erfahrungen und einige Erfahrungen meiner Kollegen/innen mit euch teilen. Wenn es euch anders ergangen ist, lasst es mich in den Kommentaren wissen.

Wechsel zum Online-Unterricht

Zu Beginn der Pandemie kam ziemlich schnell der erste Lockdown und dadurch auch die Schließung der Musikschulen. Um dennoch den vertraglich zugesicherten Unterricht durchführen zu können, mussten die Lehrerinnen und Lehrer auf Online-Unterricht umsteigen. 

Je nach Instrument gab es hierbei schon die ersten Schwierigkeiten. Gesangsunterricht lässt sich mit einem Smartphone, Tablet oder Laptop relativ gut umsetzen, da die Smartphone-Mikrofone für Sprache optimiert sind. 

Technische Herausforderungen

Bei lauteren Instrumenten wie zum Beispiel dem Schlagzeug kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Nutzung eines Handys oder Computers schnell an ihre Grenzen stößt. Wenn man lediglich das Handy- oder Computermikrofon nutzt, ist die Eingangslautstärke viel höher als dafür vorgesehen, so dass der Sound beim Empfänger miserabel ist. 

Zum Glück hatte ich schon vor Corona Online-Unterricht gegeben, so dass ich in meinem Studio über das nötige Equipment verfügte. Ich nutze für meinen Onlineunterricht verschiedene Schlagzeugmikrofone, die über ein Interface mit einem Computer verbunden sind. Zusätzlich dazu verwende ich noch ein Lavaliermikrofon für meine Stimme. Beim Spielen habe ich dieses ausgeschaltet, sodass der Ton bei der Übertragung über das Mikrofon nicht übersteuert. Bei mehreren Mikrofonen erkennt Zoom oder Skype nur einen Kanal, so dass man sich hier entweder mit einem Mischpult, einer DAW oder Programmen wie zum Beispiel LadioCast weiterhelfen muss.

Da ich auch einigen meiner Kollegen beim Einrichten geholfen habe, konnte ich ihnen ermöglichen, überhaupt zu unterrichten. Ich durfte je nach Wissensstand der Kollegen erklären, was für ein Equipment notwendig ist um den Schüler/innen einen adäquaten Sound liefern zu können oder aber überhaupt Skype auf dem Computer zu installieren.

Schattenseiten des Online-Unterrichts

Dennoch hat der Onlineunterricht nicht immer funktioniert. Es gab Schüler, die während des Lockdowns lieber pausiert haben. Das ist natürlich sowohl aus didaktischen Gesichtspunkten als auch für die Schülerbindung nicht gut. Wenn kein Unterricht über einen längeren Zeitraum stattfindet, ist es nachvollziehbar, dass Schüler/innen den Unterricht kündigen.

Ein spezielles Problem des Online-Unterrichts ist, dass man mit den meisten Programmen nicht gleichzeitig spielen kann. Ich habe einen Schüler, der jetzt wieder im Präsenzunterricht ist und viele Übungen super spielen kann, da er sich im Online-Unterricht stark verbessert hat. 

Allerdings merke ich jetzt im Präsenzunterricht, dass er Schwierigkeiten hat, mit Musik zu spielen, so dass wir erstmal leichtere Songs spielen müssen, bevor er die schwierigen Übungen in Lieder einbauen kann.

Zu viele Online-Aktivitäten

Zusätzlich zu den Soundproblemen durch fehlendes Equipment hatte ich persönlich ein paar andere Probleme. Ein lautes Instrument wie das Schlagzeug wird gerne in den Keller verbannt. Gleichzeitig befindet sich der Internetanschluss aber natürlich nicht im Keller, so dass der Empfang am Schlagzeug manchmal einfach zu schlecht war um Online-Unterricht geben zu können.

Aus unterschiedlichen Gründen waren viele Schüler froh, als wieder Präsenzunterricht stattfinden konnte. Dazu trug bei, dass in gewissen Phasen so gut wie alle Aktivitäten online stattfanden und keine Lust darauf hatten, noch mehr Zeit online zu verbringen. 

Unser Autor Pablo Poch Parramon beim Online-Unterricht am Schlagzeug

Unser Autor Pablo Poch Parramon beim Online-Unterricht am Schlagzeug, © PPP

Manche Schüler wollen Online-Unterricht 

Allerdings habe ich ein paar Schüler, die freiwillig beim Online-Unterricht geblieben sind. Die Gründe hierfür waren ganz unterschiedlich. Bei einem Schüler hat der Online-Unterricht tatsächlich besser funktioniert als der Präsenzunterricht. 

Wir haben viel intensiver und effektiver arbeiten können und der Schüler hat den Unterricht nicht so häufig mit Gesprächen über andere Themen unterbrochen. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich quatsche auch manchmal gerne mit meinen Schülern, aber trotzdem möchte ich in erster Linie Wissen vermitteln und das hat bei diesem Schüler über den Online-Unterricht besser geklappt.

Ein weiterer Schüler ist Autist, hat die Ansteckungsgefahr von Corona sehr gut verstanden und war dann von der Situation im normalen Schulalltag etwas überfordert. Obwohl dort zwischenzeitlich das Tragen einer Maske vorgeschrieben war, so haben sich trotzdem nicht alle Schüler/Innen an den Mindestabstand gehalten. 

Das hat den Schüler sehr mitgenommen, so dass er diesen Druck nicht auch noch in der Musikschule haben wollte. Bei den übrigen Schüler/Innen gehe ich davon aus, dass ihnen der Online-Unterricht einfach sehr gut gefallen hat, aber die genauen Gründe kenne ich nicht.

Konstante oder sinkende Schülerzahl

Für die wirtschaftliche Lage eines Musiklehrers oder einer Musikschule ist natürlich entscheidend, wie sich die Zahl der Schüler entwickelt. Von meinen Schüler/innen, die vor der Pandemie zum Präsenzunterricht gekommen sind, kommen jetzt fast alle auch noch zum Präsenzunterricht. Insgesamt haben bei mir in den letzten zwei Jahren nicht mehr Schüler/innen als sonst gekündigt. Dafür bin ich sehr dankbar!

Durch Berichte meiner Kollegen weiß ich aber, dass sich während der Pandemie mehr Schüler vom Unterricht abgemeldet haben als üblich. Ich gehe davon aus, dass das unter anderem an den genannten Problemen des Online-Unterrichts liegt. Hinzu kommt eventuell auch, dass Schüler, die sowieso nicht mehr so begeistert waren, dadurch noch einen weiteren Grund für eine Kündigung hatten.

Hohe Nachfrage nach dem Lockdown

Während des Lockdowns hatten sich kaum neue Schüler angemeldet, da sie darauf warteten, bis der reguläre Präsenzunterricht wieder stattfinden konnte. Nach dem Ende des Lockdowns stieg die Nachfrage rapide an und seit ein paar Monaten läuft der Unterricht schon wieder fast normal. Ich habe kaum noch freie Zeiten und die Nachfrage von Seiten der Schüler ist anhaltend hoch.

Wenn die Sommerferien in ein paar Wochen enden, melden sich erfahrungsgemäß wieder neue Schüle/innen an. Ich hoffe, dass dann die Stundenpläne wieder ordentlich gefüllt werden können und viele Schüler/innen mit Freude ein Musikinstrument erlernen.

Online-Unterricht als Option

Die Pandemie hat aber verdeutlicht, dass Lehrer in der Lage sein sollten, sowohl Präsenz- als auch Online-Unterricht anbieten zu können. Gerade die aktuelle Situation mit einer eventuell beginnenden Sommerwelle zeigt, dass sich die Lage auch jetzt noch verschlechtern kann. 

Ich hoffe natürlich, dass wir keinen weiteren Lockdown bekommen werden, aber wer Online-Unterricht generell in sein Angebot aufnimmt, ist für diese Eventualität gewappnet und kann finanzielle Einbußen besser verkraften.

Ich werde, wie auch schon vor Corona, Online- und Präsenzunterricht anbieten, da ich davon überzeugt bin, dass beide Unterrichtsmethoden ihre Daseinsberechtigung haben.

Gerade für Schüler, die zu Hause die technischen Möglichkeiten haben und schon selbstständiger lernen können ist Online-Unterricht durchaus eine gute Alternative zum Präsenzunterricht. Obwohl sich für den Online-Unterricht weniger Schüler anmelden, gibt es durchaus Interessenten, sofern eine gute Qualität des Unterrichts gewährleistet ist.

Wie ist der Musikunterricht für euch während der Pandemie verlaufen? Wie hat er sich nach dem Ende der Corona-Schutzmaßnahmen entwickelt? Sagt es uns in den Kommentaren!

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