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Überleben ist Glückssache

Janina Barkmann über die Rettung des Elfer Music Clubs und das Clubsterben in Frankfurt

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 25.01.2022

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Janina Barkmann über die Rettung des Elfer Music Clubs und das Clubsterben in Frankfurt

Janina Barkmann, Mitbetreiberin des Elfer Clubs in Frankfurt-Sachsenhausen. © Privat

Kleine Musikclubs stehen in Großstädten vor besonders großen Herausforderungen. Wie vielen anderen drohte dem Elfer Club in Frankfurt-Sachsenhausen nach der Kündigung des Mietvertrags das Aus. Dann ergab sich für die beiden Besitzer und Betreiber Janina Barkmann und Dennis Kreim die unerwartete Chance auf einen Neuanfang.

Backstage PRO: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu den neuen Räumlichkeiten in der Kleinen Rittergasse 14-20 in Alt-Sachsenhausen! Hättet Ihr als Besitzer des Elfer Clubs damit gerechnet, ihn nun schon zum zweiten Mal an einem anderen Standort wieder öffnen zu können?

Janina: Ganz ehrlich, wir haben nicht damit gerechnet, etwas Neues zu finden. Es ist ohnehin nicht einfach, Räumlichkeiten für einen Club zu finden – und während Corona ist alles nochmal schwieriger. Deshalb waren wir schon sehr frustriert. Wir dachten, wir lagern alles ein und dann war es das vielleicht. Uns war klar: Wenn sich nicht innerhalb von zwei Jahren irgendwas auftut, brauchen wir eigentlich nicht mehr anzufangen.

Backstage PRO: Wie waren denn Eure Aussichten auf eine neue Location?

Janina: In Frankfurt gibt es gar nicht so viele Möglichkeiten. Wir kennen zwar verschiedene Lokalitäten, die leer stehen, weil Frankfurt dafür klein genug ist. Die meisten waren aber völlig außerhalb unserer Preisklasse. Das Elfer ist kein Schickimicki-Laden und erwirtschaftet nicht die nötigen Umsätze, um die Mietpreise zu bezahlen, die inzwischen in der Innenstadt herrschen. 

"Die neuen Räumlichkeiten sind ein Glücksfall"

Backstage PRO: Wie seid Ihr unter diesen Umständen zu den neuen Räumlichkeiten gekommen?

Janina: Jemand aus einer Immobilienfirma hat uns über Facebook angeschrieben. Er hat uns um Rückruf gebeten, weil er etwas hätte, worüber wir reden könnten. Er besitzt mehrere Immobilien, unter anderem in Sachsenhausen und eine davon ist ein Gastronomiebetrieb, der schon länger leer steht.

Backstage PRO: Wie hat der Anrufer von der Situation des Elfer Clubs erfahren?

Janina: Er hatte es durch die Presse mitbekommen, sonst wäre der Kontakt gar nicht entstanden. Da es den Elfer Club in Frankfurt schon sehr lange gibt, war es ihm ein Begriff. Er fand es unmöglich, wie unser ehemaliger Vermieter mit uns umgegangen ist. Der Anruf war ein absoluter Glücksfall! Sowohl menschlich wie in Bezug auf die Räumlichkeiten hat das echt gut gepasst.

Backstage PRO: Konnte der Club also direkt umziehen? 

Janina: Wir haben die Kündigung Ende September erhalten und mussten spätestens zum 31. Dezember aus dem alten Laden raus. In der Zeit irgendetwas Neues zu finden, war überhaupt nicht realistisch. Wir hatten uns schon darauf vorbereitet, alles einzulagern, was wir jetzt, Gott sei Dank, nicht müssen! Stattdessen wir haben einfach alles in unserem neuen Keller untergebracht, bis die Renovierungen fertig sind.

"Unser neuer Vermieter investiert viel Geld"

Backstage PRO: Wie weit ist der Umzug denn schon fortgeschritten?

Janina: Im neuen Laden wird jetzt zunächst viel renoviert, weil unser neuer Vermieter echt gut zu uns ist. Er steckt wirklich Geld rein und lässt für uns Brand- und Schallschutz und die Elektrik neu machen. Wenn wir öffnen, werden wir deshalb eine wirklich gute Basis haben.

Backstage PRO: Wann könnte das sein?

Janina: Das dauert durch die Renovierung ein bisschen länger, aber wir gewinnen dadurch nur. Wegen Corona könnten wir gerade sowieso nicht öffnen. Von den Bauarbeiten ausgehend rechnen wir mit der Eröffnung irgendwann im Frühjahr 2022. Wie es zu dem Zeitpunkt hinsichtlich Corona aussehen wird, können wir natürlich nicht sagen.

Backstage PRO: Was werdet Ihr als Clubbetreiber bei der Planung einer potenziellen Neueröffnung unter den aktuellen Umständen berücksichtigen müssen?

Janina: Naja, wir planen recht vorsichtig und wir rechnen mit allem. Bei der Planung fürs laufende Jahr, behalte ich immer im Kopf, dass Corona wieder schlimmer und alles dicht werden kann. Auch mit der Kapazität bin ich noch ein bisschen vorsichtiger, falls wir nur mit Kapazitätsbeschränkungen öffnen können.

Backstage PRO: Wird es Euch möglich sein, in Anbetracht der Mietpreise und der zu erwartenden Corona-Schutzmaßnahmen, weiterhin die Preise niedrig zu halten und das wirtschaftliche Überleben des Clubs zu sichern?

Janina: Gute Frage! Wenn ich das wüsste, würde ich besser schlafen. Wir können es nur theoretisch durchspielen. Wie sollen wir es berechnen, ohne zu wissen, ob wir auf halber Kapazität fahren oder nur ein Drittel reinlassen dürfen? Und dürfen wir alles machen? Sind Partys erlaubt oder dürfen das nur Sitz-Partys sein?

Wir haben für uns darüber gesprochen, weil die neue Miete höher ist als die alte, und wir sagen: "Das ist der Rahmen, den wir bewältigen können, ohne unsere Grundsätze zu verändern." Klar, in Wirklichkeit müssen wir einfach sehen – das ist das Risiko, das wir jetzt eingehen, weil wir ansonsten hätten schließen müssen.

"Ohne die Überbrückungshilfe hätten wir es nicht geschafft"

Backstage PRO: Habt Ihr Euch als Mieter und Clubbesitzer an die Stadt gewandt oder andere, rechtliche und finanzielle, Hilfe nach der Mietkündigung erhalten?

Janina: Ich hatte zu tun mit der Immobilienförderung der Stadt Frankfurt, die uns ein Angebot zu einer Immobilie geschickt hat, die uns preislich zu hoch war. Ansonsten gibt es eher weniger für Clubs. Warum gibt es Förderungen für Jazz-Clubs und für Theater, aber keine Kulturförderung für Clubs und andere Lokalitäten?

Der Club hat vorher nie von der Stadt irgendwelche Unterstützung bekommen, darum habe ich jetzt weder Hilfe erwartet noch habe ich damit gerechnet. Wobei ich gehört habe, die Stadt habe sich zur Erhaltung der Proberäume im Marbach-Bunker jetzt doch eingemischt. Als eine relativ kleine Lokalität mit einer Kapazität von 200 Leuten ist man nicht relevant. Es wäre vielleicht was anderes bei einigen großen Clubs, für die sich die Stadt interessiert.

Backstage PRO: Habt Ihr Corona-Hilfen erhalten?

Janina: Wir haben Überbrückungshilfe beantragt und erhalten, um wenigstens die Fixkosten abzudecken. Das hat den Laden wirklich gerettet, anders hätten wir zwei Jahre ohne Einnahmen überhaupt nicht durchgehalten. Es hätte, glaube ich, keiner aus der Kulturbranche geschafft, genug Geld für eine so lange Zeit zurückzulegen. Darum waren wir sehr dankbar!

Backstage PRO: Wie hat sich währenddessen die Lage für die Angestellten des Elfer Clubs entwickelt?

Janina: Das Elfer braucht auf jeden Fall neues Personal. Wir haben hauptsächlich Minijobber und einen Teilzeitangestellten beschäftigt. Sie hatten glücklicherweise totales Verständnis dafür, dass wir sie ohne Einnahmen nicht aus eigener Tasche bezahlen konnten, und sind woanders untergekommen. Sobald wir wieder aufmachen, kommen sie vielleicht zurück.

Backstage PRO: Wie siehst Du die Gesamtsituation bezüglich der Clubschließungen in Frankfurt und überhaupt?

Janina: In Großstädten gehen die Gewerbe-Mietpreise schon seit einigen Jahren durch die Decke. Das steht nicht in Verbindung mit Corona. Es geht den meisten Vermietern nur noch um Gewinnmaximierung. Mit anderen Betrieben als einem Club kann man in Ruhe wesentlich mehr Geld rausschlagen. Aus Sicht der Kapitalisten ist das die logische Reaktion, aber als Clubbetreiberin ärgere ich mich!

Ein Club ist als eine Immobilie schwieriger zu besitzen, weil es häufig Ärger gibt, zum Beispiel mit Anwohnern. Clubs sind laut und lebendig und es ist genau das, was das Innenstadt-Leben ausmacht. Viele Leute besuchen diese Orte aufgrund des vielfältigen kulturellen Angebots oder sie wollen ganz einfach feiern. Wenn man das alles aus den Innenstädten in irgendwelche Randgebiete verbannt oder sogar komplett schließt, wo sollen die Leute dann hin?

"Clubs müssen praktische Hilfen erhalten"

Backstage PRO: Hätten politische Instanzen etwas ändern können?

Janina: Bei unserer Kündigung kamen viele Leute, die gefragt haben, ob die Stadt oder irgendwelche Politiker uns nicht helfen könnten. Sobald man jedoch private Vermieter hat, kann niemand etwas ausrichten, weil es schlichtweg deren Recht ist.

In Frankfurt-Sachsenhausen gibt es außerdem leider ein Förderprogramm zur ‚Aufwertung der Nachbarschaft‘, bei dem die Vermieter Zuschüsse für Renovierungsarbeiten oder ähnliches erhalten. Dafür sollen sie ihre Räumlichkeiten an ein 'niveauvolles Gewerbe' anstatt etwa an eine Kneipe vermieten. Das macht die Situation anstrengender, weil die Stadt auf der einen Seite Clubs super findet und auf der anderen Seite alles leise und ordentlich vor der Tür haben möchte.

Backstage PRO: Welche Botschaft muss Deiner Meinung nach die verantwortliche Etage hinsichtlich der Live-Musikszene erreichen? Was muss sich ändern?

Janina: Es gibt einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis: Selbstverständlich fände ich es sehr wichtig, dass Musikclubs als kulturelle Betriebe anerkannt würden. Allerdings habe ich schon viele flammende, schöne Reden für den Kulturbetrieb, besonders in der Innenstadt, gelesen. Es bringt nur leider nichts, solange diese Anerkennung nicht praktisch durch Gesetze oder Förderprogramme umgesetzt wird!

"Die Mietkosten sind das größte Problem der Clubs"

Backstage PRO: Zum Beispiel?

Janina: Förderung zur Unterstützung bei den Mietkosten würde wirklich helfen! Die Mietpreise sind, gerade in Großstädten, das größte Problem und man kann die Mietkosten leicht offiziell nachweisen. Alles andere selber erwirtschaften zu müssen, wäre in Ordnung. Vielleicht wäre das ein erfolgversprechender Ansatz.

Backstage PRO: Fehlt Dir noch etwas anderes?

Janina: Das geht wieder mehr in die Theorie: Wir brauchen eine verstärkte und bessere Kommunikation. Zum Beispiel fand ich die Sache mit dem Nachtbürgermeister total gut! In einer kleinen Stadt wie Frankfurt haben wir überhaupt nicht so viele Clubs. Das umzusetzen, wäre überhaupt kein Problem und alle Seiten könnten davon profitieren.

Auf diese Weise könnten sich Politik und Verwaltung direkt mit den Clubs beschäftigen, nicht mit deren Vermietern. Sie könnten miteinander darüber sprechen, wie man Probleme und Beschwerden gemeinsam behebt. Es gibt so viele Sachen, die lösbar wären, wenn man einfach mal miteinander redet!

Backstage PRO: Das ist ein gutes Schlusswort! Als letztes noch eine persönliche Frage: Freust du dich auf die Einrichtung der neuen Räumlichkeiten, auf das hoffentlich bevorstehende Kulturleben im neuen Raum?

Janina: Total! Ich kann das Ende der Rohbauarbeiten kaum erwarten, damit man sich mit schönen Sachen wie der Gestaltung der Theke und unserer kleinen Terrasse beschäftigen kann, die uns neue Möglichkeiten bietet. Klar, ich freue mich riesig!

Backstage PRO: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!

Locations

Elfer

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Kleine Rittergasse 14-20, 60594 Frankfurt am Main

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