Merch-Einnahmen sollen Künstler/innen gehören
UK-Künstlerorganisation FAC kämpft gegen Merch-Provisionen
musikbusiness featured artists coalition liveszene merchandise musikereinkommen
Merchstand Steve Hackett (2023). © Rudi Brand
Für Künstler/innen in der mittleren Liga wird es immer schwieriger, rentable Shows zu veranstalten. Nach finanziellen Einbüßen durch die Coronapandemie, sehen sie sich nun steigenden Produktions- und Lebenshaltungskosten gegenüber gestellt.
Umso problematischer ist eine Provision in Höhe von bis zu 25 Prozent der Bruttoeinnahmen zuzüglich Mehrwertssteuer, die ein Großteil an Veranstaltungsorten für Merchandise-Produktverkäufe erhebt. Somit profitieren diese teilweise mehr von den Merchverkäufen als die Künstler/innen selbst.
Die FAC hat ihre Kampagne "100% Venues" bereits im Januar 2022 gestartet und ein Verzeichnis von britischen Veranstaltungsorten erstellt, die bestätigt haben, dass sie keine Provisionen für Merch-Verkäufe erheben. Dieses ist sowohl von Künstler/innen als auch Fans einsehbar und umfasst zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels bereits über 800 Veranstaltungsorte.
Die Grundprinzipien der Kampagne
In einem offenen Brief appelliert die FAC im Namen der Künstler/innen an die Live-Branche, vier Grundprinzipien für den Merchandise-Verkauf bei Konzerten zu übernehmen.
- 1. Für Support Acts sollten niemals Provisionen auf Warenverkäufe erhoben werden.
- 2. Den Künstler/innen sollte die Möglichkeit geboten werden, bei ihren eigenen Auftritten mit ihrem Personal den Merchandise-Verkauf zu betreiben.
- 3. Es darf für die Künstler/innen keine Überraschungen hinsichtlich der Provisionssätze geben, wenn sie am Veranstaltungsort ankommen - die Sätze müssen im Voraus vereinbart werden.
- 4. Jede Show muss offen für Verhandlungen über Merchandise-Provisionen sein.
Außerdem fordert der Künstlerverband FAC Musikfans und die breite Musikgemeinde dazu auf, eine Petition zur Unterstützung dieser Prinzipien zu unterzeichnen.
Den offenen Brief unterzeichneten 60 Musikunternehmen und -Organisationen, darunter Management- und Merchandising- Firmen, sowie Kevin Brennan, Vorsitzender der All Party Parliamentary Group for Music.
Kampagne führt Fans die Realität vor Augen
David Martin, CEO von FAC, stellte fest, dass das Bewusstsein der Fans und der gesamten Branche für die verheerenden Auswirkungen der Provisionen auf die Situation der Musiker seit dem Start der Kampagne gestiegen sei und äußert sich in einem Artikel des Online-Magazins Complete Music Update wie folgt:
"Vor allem die Fans sind sich bewusst geworden, dass das Geld, von dem sie dachten, dass es zur Unterstützung ihrer Lieblingskünstler verwendet wird, in einigen Fällen für Strafprovisionen ausgegeben wird".
Weiter betont David Martin, wie wichtig es sei, die vier festgelegten Prinzipien jetzt umzusetzen:
"Es sind diese überholten Vertragsbedingungen, die wir jetzt angehen wollen, aber wenn jeder Veranstaltungsort im Vereinigten Königreich die vier pragmatischen Prinzipien umsetzen würde, die in dem heutigen offenen Brief umrissen werden, wäre das ein bedeutender Schritt nach vorn."
Unterstützung durch Künstler/innen
Auch zahlreiche Künstler/innen unterstützen die Kampagne von FAC, darunter Steve Mason, der betont, wie stark Musiker/innen bei Live-Auftritten auf den Verkauf von Fanartikeln als Einnahmequelle angewiesen sind. Der Zugang zu dieser Möglichkeit werde ihnen allerdings allzu oft verwehrt:
"Bestimmte Veranstaltungsorte scheinen sich nun zu weigern, uns den Verkauf von Fanartikeln zu gestatten, ohne uns bis zu 50 % des Gewinns zu überlassen. Das ist völlig undurchführbar und wird die meisten Künstler dazu veranlassen, lange und gründlich über die Kosten von Tourneen nachzudenken. Da wir mit Live-Auftritten 70-80 % unseres Einkommens verdienen, könnte dies dazu führen, dass die Künstler/innen ihre Karriere nicht mehr aufrechterhalten können."
Weiter hebt er das Durchhaltevermögen der Live-Musiker/innen hervor:
"Wir halten durch, weil wir lieben, was wir tun, aber das wird oft gegen uns verwendet."
Probleme bei der Umsetzung der Forderungen
Veranstaltungsorte regeln den Merchandise-Verkauf in ihren Gebäuden häufig über Vereinbarungen mit Drittunternehmen, die durch eine Vorauszahlung das Recht erhalten, den Merchandise-Verkauf in der Location zu verwalten und anschließend zu betreiben.
Es sind also auch die Drittunternehmen, die Merchandise-Provisionen von den Künstler/innen erheben. Das macht es für diese Veranstaltungsorte schwieriger, sofort zu einer Politik ohne Merch-Provisionen überzugehen.
Ein weiteres Argument der Veranstaltungsorte - besonders auf der oberen Ebene des Live-Musikmarktes - ist, dass die Wirtschaftlichkeit großer Shows sie dazu zwingt, eine Provision auf Merchandise-Verkäufe zu erheben, da der Großteil der Ticketeinnahmen an die Hauptkünstler/innen geht.
Die Provisionen gelten allerdings auch routinemäßig für Vorgruppen, die wahrscheinlich viel weniger an der Show selbst verdienen.
Ähnliche Themen
Jetzt 20 US-Dollar pro Stunde
"On The Road Again" Initiative erhöht Mindestlohn für über 5000 Mitarbeitende in Live Nation Venues
veröffentlicht am 04.12.2023
Schluss mit "Merch Cuts"
Erste US-Konzertlocations verzichten auf Anteile an Merch-Verkäufen
veröffentlicht am 02.02.2023
#MyMerch
US-Spielstätten und -Festivals sollen keine Anteile mehr von Merch-Verkäufen einbehalten
veröffentlicht am 24.11.2022 1